Wollt ihr Rassismus wieder "en vogue" machen?

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Wollt ihr Rassismus wieder "en vogue" machen?

Beitrag von Freeyourgender » 30 Jan 2017, 12:27

K O M M E N T A R
zum Thema: Ausbeutung

Bild

"Ten Little Injuns"
Sheet Music Cover
1868
Bildlizenz: Public Domain

Septimus Winner schreibt 1868, kurz nach Beendigung des amerikanischen Sezessionskrieges ein Lied mit 10 Strophen, dass er "Ten Little Injuns" nennt.

Reichte es nicht, was die "weißen Siedler" aus Europa mit den Indianern bis zu diesem Zeitpunkt bereits angerichtet hatten?
"Injuns" war ein Kunstwort, das der Verspottung der Indianer diente.
Wenn wir uns anschauen, was kurz vor der Entstehung dieses Spottliedes in der Geschichte der Indianer passiert wahr,
bzw. gerade bei Veröffentlichung des Liedes in der Gegenwart passierte, sehen wir, wie groß der Hass gewesen sein muss:
1861 begann der letzte Kampf Cochises gegen die US-Armee.
Dieser Kampf der Chiricahua-Apachen prägte die 60iger Jahre bis weit in die 70iger Jahre des 19. Jahrhunderts.
1862 begann der Kampf der Vereinigten Staaten gegen die Dakota (Santee-Sioux), in der Geschichtsschreibung als "Sioux-Aufstand" festgehalten. Diese Kämpfe waren Alltag bei der Entstehung des Spottliedes "Ten Little Injuns".
Es ging ununterbrochen weiter, bis zur letzten bedeutenden Schlacht, dem Massaker von Wounded Knee 1890. Das Lied entstand 1868 und blickte hier auf noch 22 Jahre,
die in der entscheidenden Phase der Indianerkriege standen, die besonders von Verzweiflung und Verlust der Indianer geprägt waren.
Auch der Kampf der Vereinigten Staaten gegen die Lakota, lag just genau im Zeitraum der Liedentstehung, er begann 1866 und endete 1868. "Red-Cloud-Krieg"
Auch in dieses Jahr viel z.B. das Massaker am Washita, hier sollte
ein Exempel gegen die Cheyenne statuiert werden, verantwortlich für dieses Massaker zeichnete George Armstrong Custer, der kurz vorher Generalmajor des Unionsheeres im Sezessionskrieg war,
und sich nun um das "Indianerproblem" kümmerte. Dieses Massaker war Gegenstand der Presse und wurde landesweit bekannt.

Wenn man sich also die Intention des Liedes "Ten Little Injuns" ansieht, und sich die Prämissen der Zeit vor Augen führt,
kann man nur zu dem Schluß kommen, dass dieses Lied von Menschenverachtung gegen die Indianer getrieben wurde.
Septimus Winner wurde posthum für sein "Schaffen" 1970 geehrt und in die Songwriter "Hall of Fame" aufgenommen.

Das Lied gefiel. Anscheinend auch Frank J. Green. Er, oder jemand anderes soll dann auf die Idee gekommen sein,
es gegen eine andere Menschengruppe einzusetzen. Es wurde 1869, ein Jahr später, auf "Nigger"(SIC!) umgemünzt: "Ten Little Niggers".
Jetzt starben eben der Reihe nach Nigger(SIC!) und nicht Injuns in dem Spottlied. In Minstrel-Shows, in denen sich "Weiße"(SIC!) ihre Gesichter schwarz färbten und anderen "Weißen" angeblich Stereotype Eigenschaften von
"Niggern"(SIC!) vorführten, gehörte dieses Lied zum Standard-Repetoire.

Wagen wir eine Zeitreise in das Jahr 1939, kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, Schauplatz: Vereinigtes Königreich.
Hier war es die zu diesem Zeitpunkt schon berühmte Agatha Christie, die auf die Idee kam, ihren im November 1939 erschienen
Kriminalroman den Titel "Ten Little Niggers" zu geben. Und nein, wir dürfen hier keinesfalls Agatha Christie einen Vorwurf machen.
Sondern vielmehr dem damals? vorherrschenden und konsensfähigen Zeitgeist der Rassendiskriminierung.
Es viel gar nicht auf, wenn man diskriminierte.
1941: Auch in Schweden schrieb Astrid Lindgren
in ihrem Welterfolg "Pippi Langstrumpf" von einem "Negerkönig".
Hatte ich schon erwähnt, dass auch Agatha Christies "Ten Little Niggers" bis dato (Januar 2017) der meistverkaufte Kriminalroman aller Zeiten ist und auch das meistverkaufte Werk Agatha Christies?
1940 erschien ihr Roman aber unter einem anderen Titel in den USA: "And Then There Were None".
Die USA waren hier schon inzwischen etwas sensibilisierter geworden, worauf wir schließen dürfen, dass Rassismus durch Kultur und Bildung
bekämpft werden muß, bleibt dieses "Dagegenstellen" aus, tritt er anscheinend wieder hervor?
In Deutschland wählte man 1944 für den Titel der Erstausgabe "Letztes Weekend", kurioserweise aber 1982 wieder "Zehn kleine Negerlein",
was 2003 wieder revidiert wurde, und dann der Titel "Und dann gabs keines mehr", gewählt wurde.

Und ja - hier sehen wir schon, dass es anscheinend an der Stimmung der Zeit liegt, inwieweit Rassismus hoffähig ist.
Ein Mord ist ein Mord ist ein Mord. Das war schon immer so. Da muss nichts kulturell "zeitgemäß" bewertet werden.
Warum ist das bei Rassendiskriminierung nicht auch so? Warum muss das immer wieder neu verhandelt werden?
Durch Bildung und Verstand bekämpft werden?

Gehen wir zurück zur Adaption von "Ten Little Indjuns" , der Version von 1869 "Ten Little Niggers". Diese gelangte 1885 nach Deutschland.
Interessant ist hier schon, dass das Erscheinen dieses Spottgedichtes, bzw. Liedes mit der Kongokonferenz, die von November 1884 bis Februar1885 dauerte, zusammenfällt.
Wenn man bedenkt, was Anfang des 20 Jhd. das Deutsche Kaisserreich in Südafrika anrichtete, den Genozid an den Hereros,
http://www.freeyourgender.de/forum/view ... =234&t=510, bekommt dieses Gedankengut, transportiert mittels dieser 10 Verse,
eine besondere Geschmacksnote.
Auch interessant dürfte sein, dass just nach der Kongokonferenz der belgische Genozid an den Afrikanern im Kongo begann:
Von 1888 bis 1908 wurde die Hälfte der Kongolesen, ca. 8-10 Mio, ermordet. Federführend war Leopold II.
Vielleicht lag ja das 1885 in Deutschland erschienene Gedichtbuch "Zehn kleine Negerlein" in seinem Nachttischchen?

Wenn wir uns diesen von Menschen gegen andere Menschen geschürten Hass ansehen, stellen wir aber fest,
dass dieser Hass kein natürlicher ist: Er wird geschürt, um eigene ökonomische Vorteile zu erlangen:
Ein Land auszubeuten, sich an seine Rohstoffen zu bereichern, da ist es nützlich, wenn man die Eigentümer des Landes
als minderwertig erklärt, und wenn sich diese nicht beugen, gewaltsam vorgeht.
Ganz nebenbei macht man diese Menschen selbst zu "Rohstoffen" und verwendet sie als Sklaven, was auch wiederum
einer ökonomischen Bereicherung dient. Die Befriedigung lediglich von Machtgefühlen ist hier ein wohlwollender Synergieeffekt,
nützlich neben der eigenen Machtbefriedigung immer dann, wenn man auch diejenigen egomanischen Helfershelfer,
die nur nach Leistung bezahlt werden, motiviert sehen möchte. Dann nimmt man machthungrige und gewissenslose Menschen.
Funktioniert, wie uns die Geschichte lehrt. Bildung, Ethik und Kultur? Diese wird ausgehebelt, indem man diesen machthungrigen
Menschen die Alibi-Illusion gibt, sie handeln im Sinne einer höheren Wichtigkeit, die ihre Taten legitimiert.

Wo stehen wir heute? Im Jahr 2017?
Wo stehen wir in Deutschland in Bezug auf diese Fragen? In Großbritannien? In den Vereinigten Staaten von Amerika?
In Frankreich? In den reichen Nationen der Erde, die ihre Ökonomie so angelegt haben, dass sie andere Länder,
und damit andere Menschen benachteiligen, ausbeuten muss? Ihnen über wirtschaftliche Macht ihre Existenz raubt?

Wenn wir gegen Rassendiskriminierung sind, stehen wir für Humanismus.
Wenn wir auf Kosten von anderen Menschen unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir auch die Humanismus-Frage stellen.
Jeden Tag.

Unsere Gewissenlosigkeit in dieser Frage ist zwar keine [url=https://de.wikipedia.org/wiki/Nilp ... rdpeitsche[/url],
aber so zu tun, als gäbe es keine Ausbeutung ist eine Selbstlüge, die unser Gewissen beruhigen soll, uns ruhig schlafen läßt.
Unterlassung ist eine Straftat.

Ich möchte nicht in einem Land, in einem Kontinent leben, der sich zur Festung ausbaut, und Mißstände weiterlaufen läßt,
dafür Ausgaben für die Verteidigung erhöht. Ich möchte kein Deutschland, kein Europa, auch keine USA,
die zu einem Fort "Groß Friedrichsburg" wird,
und nur desshalb ein Fort werden muss, weil wir alles so weiterlaufen lassen, es unterlassen, etwas zu ändern.
Und uns damit, auch wenn wir selbst keinen Vorteil davon haben, nicht zu den "Gewinnern" der Globalisierung gehören,
dadurch strafbar machen, es zu unterlassen, aufzuschreien.
Wir müssen es angehen, dass wir nicht länger ausbeuten. Das muss das höchste Ziel ökonomischen Handelns werden.

Bild
Auf Deck eines Sklavendampfers im Kongogebiet
um 1900
Bildlizenz: Public Domain



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