1.2.28 Chloe und ihr Mädchen

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JasminRheinhessen
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1.2.28 Chloe und ihr Mädchen

Beitrag von JasminRheinhessen » 09 Feb 2017, 16:11

Es geht um die Frage: Bist du eher ein Wesen mit männlichem Genital, was die Gesellschaft Mann nennt, und hast dazu auch ein
eher männliches Gehirn und hast einen Fetisch, also bist das, was unter dem Begriff Transvestit verhandelt wird?
Oder bist Du ein Wesen mit eher weiblichem Gehirn und männlichem Genital?

Dies ist sehr einfach zu unterscheiden für Dich:
Kannst Du in Deiner frühen Jugend / Kindheit Verhalten an Dir feststellen, dass Dich aus dem aufgezwungenen Verhalten,
dass Du als Junge haben solltest, ausbrechen ließ?

Lieber mit Puppen gespielt als mit Autos ? Lieber mit den Mädchen Volleyball gespielt als mit den Jungen Fußball?
Wichtig: Für Dich war es wichtiger, Dich mit den Mädchen zu sozialisieren, es ging nicht darum, dass Dir Volleyball pragmatisch besser gefällt,
sondern Du hast unbewußt gespürt, dass DU nicht zu den Jungen willst.

Dieses Ausbrechen aus der aufgezwungenen Rolle war Dir aber nie richtig bewußt, Du wusstest nicht, warum das so war,
dies hast Du erst viel später realisiert, vielleicht erst mit Ende Zwanzig, Anfang Dreißig, nachdem Du schon einige Beziehungen mit Frauen
durchlebt hattest, bei denen Du Dich unwohl gefühlt hast, weil diese Dich nur als Mann sahen, und nicht Deine weibliche Seite.

Erst nachdem Du realisiert hast, dass DU eine Frau in Dir hast, ist Dir bewußt, was Dir in diesen Beziehungen gefehlt hat.

Dieses "Nichtwissen" vorher, und dann später entdecken, und dann feststellen, warum Du früher dies oder jenes getan hast,
was ganz und gar nicht in das Bild eines Jungen passt, ist typisch dafür, dass Du kein sogenannter Transvestit bist,
sondern eine Frau. Eine Frau mit männlichem Genital und weiblichem Gehirn.

Auch ist ein Indiz dafür, dass Du ein weiblches Gehirn hast, wenn Dir Dein Körper sehr wichtig ist,
Du möchtest Brüste, weibliche Schenkel, ein weibliches Gesicht, Rundungen, Po, vielleicht auch eine Operation,
alles Dinge, die für Dich selbst wichtig sind.

Diese Dinge wünscht Du Dir in erster Linie für Dich selbst, Du brauchst hier nicht unbedingt einen Zuschauer, der Dir sagt,
hey, Du schaust gut aus ! Du brauchst diesen Körper für Dich, um Dein Inneres in Harmonie zu bekommen, Dich bejahen zu können,
Deinen Körper, es geht nur um Dich und Dein Körperbewußtstein.

Dieses Körperbewußtsein ist bei Männern, mit Fetisch nicht in der Form ausgeprägt, bei Ihnen geht es um das Tragen der Kleidung,
um den Kick, die Rolle zu Wechseln, das Gefühl von Nylons auf der Haut, auch um die Wirkung bei den Betrachtern.

Ein Mann, der sich gern "verkleidet", wird dadurch in eine sexuelle positive Stimmung versetzt.
Bei einer Frau mit männlichem Genital und weiblichem Gehirn dient die weibliche Kleidung nur dazu, der Umwelt zu sagen:
Schaut her, ich bin nicht das, für was ihr mich haltet, ich bin eine Frau.
Ich habe mir den Rock angezogen, mich geschminkt, damit Du sehen kannst, was ich bin.

Diese Frau würde sich immer weiblich fühlen, egal welche Kleidung sie trägt, sie möchte aber als Frau gelesen werden,
und unterstützt dies durch weibliche Kleidung, damit andere sehen, wie sie fühlt, und sie nicht mit einem Mann verwechseln.

Männer mit Fetisch für Frauenkleidung lieben es auch, Betrachter zu haben, nicht immer, aber dies spielt schon oft eine wesentliche Rolle.

Frauen mit weiblichen Gehirn sind eher unauffälliger, gehen in der Masse unter, bzw. versuchen dies.
Wenn sie eine exhibitionistische Ader haben, mögen sie auch gerne auffallen, aber sie möchten nicht auffallen allein desshalb,
weil sie eine Frau sind, sondern weil sie mit Menschen kommunizieren möchten, die sie weiblich lesen sollen, weil sie sich wünschen,
aus der falschen Einordnung der Kategorie "Mann" herausgelöst zu werden.

Bei Männern mit Fetisch ist das allein oft aus ihrem Fetisch begründet, dass sie dann auch Betrachter_innen suchen,
was ihnen den Kick gibt, der Fetisch liefert die exhibitionistische Attitüde sozusagen mit.



Barton hatte diese Zeilen noch vor sich, als er wieder zu Bewußtsein kam.
Er kannte diese Artikel von JasminRheinhessen, er verfolgte ihre Schriften, Essays,
oder wie man auch immer diese Lyrik beschreiben sollte, schon seit Jahren.
Sie flutete das Internet mit ihren Texten, dass man sie überall finden konnte.
Sie warb unermüdlich zu Ihrer Zeit für die Anerkennung des Geschlechtes der Sinne, des Gehirns.

Seit einiger Zeit erschienen ihm diese Texte in seinem Schlaf, er lass im Schlaf sitzend an seinem Schreibtisch,
und die Texte waren so klar vor ihm, als dass er sie abschreiben könnte, Wort für Wort.

Es war kurz vor Mitternacht. Er hatte nur kurz geschlafen, noch immer angezogen, lag er auf seinem Bett,
dass seit seiner Scheidung seine Schlafstelle war, und sein Platz, zum Nachdenken, über sich, seine Gefühle,
seine weiblichen Gefühle, die Frauen, die Welt da draussen, die sich unten an der Strasse abspielte, die jetzt sehr ruhig war, es waren wenig Verkehrsgeräusche zu hören, meist waren es Taxis, die anfuhren, wenn die Ampel ihnen das wieder erlaubte.

Barton stand auf, legte seine Sachen ab, ordentlich über einen Stuhl, der seitlich an einem Sekretär stand,
der zu einer Stilmöbel-Gruppe gehörte, Rokoko. Er liebte diese Epoche, die Musik, die Möbel, Architektur, die Frauen,
in ihren langen Kleidern mit vollen Dekollete`s, Kleider, die die Aufgabe hatten, ihre Brüste mehr herausdrücken,
als sie zu verstecken.

Er zog sich schwarze Feinstrumpfhosen an, und darüber einen weißen Bademantel.
Einen Moment dachte er über die bestrumpften Beine der Männer dieser Zeit nach, die Rockgewänder trugen.
Wenn er damals gelebt hätte, würde es nicht auffallen, wenn sein bestrumpftes Bein unter seiner Hose zu sehen wäre.
Wie lächerlich. Wie lächerlich es doch war, nur einen Gedanken an ein Alibi zu verschwenden, warum er Strumpfhosen anzog.

Ja, JasminRheinhessen hat es ja genau beschrieben, es ging nicht um etwas sexuelles, er wollte sich lesbar machen, fühlbar,
seine Weiblichkeit, auch wenn er wußte, dass ihn niemand sah heute Nacht, wollte er sich dieses Bild zumindest selbst schenken.
Seiner Seele, seinem Spiegelbild sagen, schau, ich kümmere mich um Dich. verleugne Dich nicht.
Das Verleugnen gehörte bis zum heutigen Tag zu seinem Problem.

Chloe wußte das genau.

Dass er heute Yvonne nicht sagte, dass sie eine Frau ist, sie mit Mr. Stardust ansprach, sich nicht zu ihr mental hinbegab,
und sie stützte, sie bekräftigte, sondern sie mit einem Fragezeichen aus seinem Büro entließ, gehörte zu seiner Verleugnung,
der Verleugnung seiner eigenen Weiblichkeit.

SuKi war immer da wenn er nachts Strumpfhosen trug, sie war in seinen Gedanken immer im Büro,
meist saß sie in der Mitte des Raums auf einem der Sessel der Sitzgruppe, die dort ihren festen Platz hatte.

Manchmal ging er nur in Strumpfhosen durchs Büro, ohne Bademantel, und spürte ihren Blick.
Dass sie eine Frau war, und ihn so sah, erregte ihn ins unermessliche. Eine Frau, die seine weibliche Seite sah,
dass war ihm wichtig. Kein Mann, Männer interessierten ihn beiläufig, ja, am Rande, sie spielten eine Nebenrolle,
es waren Bauern auf seinem Schachbrett. Die Männersauna die Stan in Bezug auf Braunstein erwähnte, kannte er selbst,
er war selbst dort ab und an Gast gewesen, das ist lange her. Ja, es war reizvoll, aber es ging ihm immer nur um Frauen.
Die Erfahrungen mit Männern gehörten für ihn zu einer Testphase, inwieweit sie ihn weiblich finden würden. Mehr nicht.
Frauen wie Chloe, Frauen die Strapon's benutzen. Frauen wie SuKi, die geheimnisvoll waren, beide Geschlechter verinnerlichten,
das waren seine Leidenschafen.

Barton stellte sich kurz vor, dass Chloe jetzt hier wäre, mit ihrem engen, weißen Pullover, und ihn so sehen könnte.
Gleichzeitig wusste er, dass, wenn sie morgen im Vorzimmer sitzt, dass er es nicht fertig bringen würde,
dass sie ihn so sieht, er wüßte nicht, wie er seine Autorität ablegen sollte, die er immer ihr gegenüber verkörperte.
Verkörpern musste?

Das war der Grund, warum er heute nicht zu ihr gefahren ist. Natürlich.
Sie solle ihn nicht erwarten. So ein Unsinn, Barton ertappte sich, wie er sich selbst Alibis für seine Verleugnung zurechtbastelte.
Natürlich hätte sie ihn heute erwartet, sie hatte es ja eingefädelt.

Vielleicht hat sie sich gebadet, zurechtgemacht, duftend im Bett gelegen. Und jetzt gesehen, wie lächerlich dieser Dr. Edward Barton ist.
Der sich nicht traut, sich von seiner Mätresse dominieren zu lassen. Wie erbärmlich.

Barton nahm sich einen Cognac, ging zum Fenster.
Vielleicht war es früher leichter, in der Zeit Isabelle`s, Männer und Frauen, das war einfach alles klar geregelt.
Seitdem Frauen diese gesellschaftliche Stellung haben, entsteht Durcheinander.
Schon wieder ein Alibi, ja klar, dann fällt die Selbstverleugnung nicht auf, wenn die Frauen so untedrückt werden,
dass sie nicht einmal mehr den Mund aufmachen. Sich mitteilen, und zeigen, was es bedeutet, ihre Gefühle sprechen zu lassen.
Oder was es bedeutet, wie es sich anfühlt, unterdrückt zu werden.
Frauen zu unterdrücken, ist nichts anderes, als ein Alibi für seine Selbstverleugnung zu etablieren.
Die Selbstverleugnung, auch weiblich sein zu können, weiblich zu fühlen. Was für ein Hochverrat.

Es ist wie wenn Du eine wunderschöne Frau fickst und ihr sagst, dass sie häßlich ist.

Barton ließ den Cognac in seinem Mund, seiner Zunge entlanglaufen, und versuchte diesen herrlichen Geschmack zu speichern.
Bis zum nächsten Nippen am Glas. Es ist, als ob Du Cognac trinkst und sagst, Du trinkst ihn aus Mitleid,
damit er wegkommt, weil Du ihn nicht wegschütten willst, dabei bist Du gierig danach, weil er so wunderbar schmeckt.

Warum strengen Frauen keine Revolution an? Ja - es gibt diese Revolutionen, sie finden jeden Tag statt, in jeder Beziehung.
Wie kann man als Mensch in der Frauenrolle, als Frau, diese Heuchelei ertragen, ohne daran zu zerbrechen, durchzudrehen?
Stan führte im Prinzip genau dieses Durchdrehen vor.
Frauen wurden ihren Zwängen und ihrer Unterdrückung in einem hohen Tempo beraubt.
Diese mentale Freiheit können sie nicht bewältigen und werden verrückt, kratzen Tapete von den Wänden
und puzzeln sie wieder zusammen, während sie am Boden sitzen und die Schnippsel sortieren.
Erst zerstören sie Altes, dann versuchen sie es wieder rückgängig zu machen, weil sie dann ohne Halt sind.
Halt. Wofür. Dass sie wissen, wer sie sind? Wissen sie das nicht erst, wenn sie in Ekstase geraten?
Wenn ihnen die Zwänge genommen werden, sie ihre Wollust herausschreien?

Sie wollen geachtet werden, ja. Er auch. Er will ein Mann von Geist sein, Autorität besitzen.
Das verbietet alles zu unterlassen, was dieser Achtung und Autorität schaden könnte.
Es zu unterlassen, Dinge zu tun, die nicht sinnvoll sind, voll mit Sinn, mit dem Sinn, was Menschen unter Geschlecht verstehen.
Mit dem Sinn, der das Heterosexualitätskonstrukt als Dogma verkörpert. Das ist voll mit Sinn. Und daher richtig.
Genitalien sind Geschlechter. Ja. Dass Genitalien kein Gehirn haben, wird ignoriert.
Als ob wir Körpermaschinen wären. Ohne Verstand, ohne Kultur und ohne französische Revolution.
Wir brauchen eine französische Revolution der Geschlechtlichkeit. Des geschlechtlichen Verständnisses.

Die Aristokratie der Genitalien muss entmachtet werden. Die Liberalität des Körpers etabliert werden.
Gehirne müssen Mitbestimmung haben. Oder besser und differenzierter: weibliche Gehirne.
Denn männliches Denken ist ja bereits in diesem genitalaristokratischen Weltbild manifestiert.
Dieses darf und muss weibliches unterdrücken. Wäre das Denken und fühlen geschlechtlich libertär,
dürften auch Männer weibliche Gedanken haben, öffentlich zeigen.
Das muss unterbunden werden, daher muss das gessamte Denken tabuisiert und ignoriert werden,
das Denken über geschlechtliche Gefühle, jenseits und unabhängig der Genitalien.
Das würde sonst Frauen auf gleiche Augenhöhe bringen. Das würde die Frau zu ihrer vollen Blüte bringen.
Das will kein sich verleugnender Mann mit weiblichem Gehirn. Das wäre seine größte Sorge.
Sein ganzer Halt, seine einzige Orientierung, seine Autorität, müsste er abgeben.
Nein - keine Gleichschaltung der Geschlechter. Daher auch keine Gehirne, keine Gedanken,
die bei geschlechtlicher Forschung Berücksichtigung finden dürfen. Und wenn sie berücksichtigt werden,
müssen sie eine ansehnliche pathologische Diagnose bekommen. Standesgemäß. F64.0 - Verrückt.

Es war 1 Uhr, Barton war nicht müde. Er wurde immer wacher, er zog seine Strumfphosen aus,
ging ins Badezimmer seiner Bürowohnung. 14qm, WC, Waschbecken, eine Dusche und eine Truhe für Handtücher.
Die Truhe hatte er von einem Antiquitätenhändler, sie stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.
Das dunkle Holz wirkte eigentümlich neben der modernen Dusche mit Glasschiebetür,
der Gegensatz könnte nicht größer sein. Als er das warme Wasser auf seiner Haut spürte,
dachte er, dass der Gegensatz für den öffentlichen Betrachter auch nicht viel kleiner sein würde,
würde die Öffentlichkeit ihn vergleichen, einmal mit der Person, die im Klinikzentrum West die Macht innehatte,
und über Schicksale bestimmte, wer Frau und Mann sein darf, einer Person, die sich sehr männlich verhielt,
sich hinter Masken der Macht versteckt hielt, ähnlich wie es Braunstein auf seine Art machte,
und der Person, von dem die Öffentlichkeit erfahren könnte, dass sie Strumpfhosen trug,
und sich von seiner Vorzimmer-Sekretärin mit Strapon verwöhnen ließ.

Barton nahm ein Handtuch aus der Truhe, und trocknete sich ab, legte das Handtuch in die Truhe zurück.
Es war warm genug in der Wohnung, dass es ohne Aufhängen trocknen würde. Er stellte immer 24 Grad ein,
seine Bürowohnung war warm wie der Vorraum eines Wellnessbades.

Er wartete ein paar Minuten, bis seine Haut wieder ganz trocken war, um wieder in die Strumpfhose zu schlüpfen.
Ja - er spürte, dass er lieber den Körper von Chloe hätte, er begriff diese Tage immer mehr, seitdem er Chloe kennengelernt hatte,
dass seine ganze Biographie sich um den Sachverahlt rankte, wie er diese Tatsache verdrängen könnte, dass er keine Frau wie Chloe war.

Sein Engagement im Beruf, in seinem Job. Seine Heirat. Sein Ehrgeiz. Seine Hobbys. Er stürzte sich jeden Tag in immer neue Aufgaben,
die ihn genau davon ablenken sollten: Davon, dass er eine Frau mit diesem Körper war.

Dass sein Beruf ihn näher an das Geschlechterthema brachte, als Psychologe in einem Klinikzentrum für Menschen,
die über sich eine geschlechtliche Aussage machten, die nicht ihrem Genital entsprach, war Zufall.
Er hätte auch als Manager in einer beliebigen Firma landen können. Er wollte studieren, um sich abzulenken, dann irgendetwas machen,
aber immer machen. Machen. Nicht Nichtstun. Kein Leerlauf.

Leerlauf ließ ihn Zeit. Zeit zu überlegen. Dieses Überlegen setzte erst jetzt ein, seitdem er die Scheidung hinter sich gebracht hat.
Seitdem er in seinem Büro wohnt. Die Überlegungen manifestieren sich nun in Erkenntnisse. Erkenntnisse die er jetzt gewinnt.
Die immer konkreter und greifbarer werden. Ja - jetzt greifbar im Raum stehen.

Er war eine Frau. eine Frau mit Schwanz, die in einem erbärmlichen, für ihn erbärmlichen Männerleben gefangen gehalten wurde.
Zum Teil von der Gesellschaft, zum Teil von ihm selbst, weil er sich verleugnet. Weil er umgeben ist von Menschen, die das ebenfalls tun, Gordon, Braunstein, sein Butler, Stan, alle spielen Spiele. Sind aber nie sie selbst. Glauben, wenn sie die Karten des Spiels mischen,
müssten sie nicht selbst das Spiel verantworten, indem sie sich weigern mitzuspielen.
Nur zuzuschauen, um sich so nicht einmal ein Alibi suchen zu müssen, warum sie an diesem Spiel keinen Spaß hätten, würden sie mitspielen.

Paradoxerweise spielen sie jeden Tag dieses Spiel.

Jeden beschissenen Tag. Sie sind Clowns, Horrorclowns, nicht für die Betrachter, aber für sich selbst. Jeden Tag.

Chloe war ihm Lichtjahre überlegen. 22 Jahre. Er war 52. Nicht weil sie diesen traumhaften Körper hatte. Nein - das war es nicht allein.
Sie war ihm geistig überlegen. Sie war sexuell frei. Sie hat ihre männliche Seite. Diese lebt sie aus. Fickt Frauen. Gibt es zu.
Das war es, was sie unterscheidet. Er dagegen, bringt es nicht einmal fertig zu ihr zu kommen, sich in Strumpfhosen vor sie zu stellen,
und zu sagen, dass er es erregend findet, wenn er ihr Sissygirl sein darf.

Er ist ein lächerlicher Wicht. Ein Jammerlappen. Warum sind Frauen mutiger, warum.

Weil sie nicht männlich sozialisiert wurden? In diesem kranken "ein Junge weint nicht"-Modus erzogen wurden?

Wer hat sich das nur ausgedacht. Barton musste in diesem Moment an die Zinnsoldaten denken, die er Braunstein mitbrachte.
Ja - preußische Erziehung, den Willen des Kindes brechen. Aus Jungen Befehlsempfänger machen. Die nicht mehr selbständig denken können.
Die Ehre und Stolz oben anstellen, vor Humanismus, Gerechtigkeit und Gefühl, genauer, weiblichen Gefühl.

So entsteht Kanonenfutter für die Aristokratie, die sich heimlich mit nichthetersoexuellen Themen beschäftigt,
denn heimlich ist es "in", und "en-vogue", das zu tun, was die Seele verlangt. Dass erfordert es, das Kontrukt zu verlassen.
Dieser Heteroideologie, dem Genitalgeschlechterfaschismus eine Stirn zu bieten.

Aber nur heimlich, hinter verschlossenen Türen, meist Doppeltüren, in großen Sälen, von großen Kaminen beheizt.
Dort wurde gevögelt, Mann mit Frau, Mann mit Mann, Frau mit Frau. Dort herrschte die Freiheit, die Mauern der Schlösser waren sehr dicht.
Das Proletariat wurde gehirngewaschen und aller sexueller Dinge, die ausserhalb des Konstrukts waren, beraubt.

Dass die sexuelle Freiheit hinter verschlossenen Türen stattfand, hatte noch einen weiteren Vorteil, neben dem Vorteil,
sich als Vorbild des Heteronormativitätskonstrukts zu verkaufen, war es der Vorteil, Frauen zu unterdrücken,
mitwissende Frauen, die Frauen die man gewähren ließ, waren erpressbar. Sie waren immer schuldig.
Es drohte Zuchthaus und Missachtung. Entehrung. Erziehungsanstalt. Keine Rehabilitierung möglich.
Nur wenn sie sich weiterhin prostituierten, konnten sie an diesem Lügenleben weiterhin teilhaben. Eine geniale Falle.
Sie wurden Freiwild. Vogelfrei. Entrechtete, weil moralisch entrechtet.

Für Barton war aber das Ansehen seiner Person in der Gesellschaft im Moment das geringste Problem.
Sein Glück war Chloe, seine Weiblichkeit und das Zusammenfügen dieser beiden Welten.
Das brachte alles Glück. Alles was dagegen steuerte, ließ das Glück verschwinden, jeden Tag.
Dasjenige Glück, dass er als Glück definierte, Das Ersatzglück, sein Job, seine Macht, sein Büro, seine Limousine. Seine Kontakte.
Dieses vermeintliche Glück wurde jeden Tag mehr erodiert.

Barton stand wieder am Fenster, die Strumpfhose wärmte angenehm die frischgewaschene Haut seiner Beine.
Es war warm genug im Büro, trotzdem fühlte sich diese Wärme sehr angenehm an, das Tragen dieses Netzes auf seiner Haut,
war wie ein Symbol. Es ließ ihn spüren, was er nicht hat. Was er nicht sein kann. Es ließ die Sehnsüchte spürbar werden,
die Defizite fühlbar werden.

Er behandelte seine Weiblichkeit seit 52 Jahren wie ein Patriarch des 19. Jahrhundert seine Tochter,
indem er sagt, sein Sohn ist ihm lieber, er bringt Geld ins Haus, die Tochter trägt es hinaus.
Für Barton war die Mitgift für seine Weiblichkeit bisher zu hoch.
Er verhielt sich gegnüber seiner Tochter schäbig.

Er hat sein Mädchen abgefertigt. 52 Jahre lang.

Der Sohn bekam die ganze Sorgfalt, wurde jeder weiblichen Erziehung entzogen.

Das Mädchen entfremdete sich immer mehr. Bis es verstummte.

Was es liebte, was es begehrte, war von niemandem mehr gehört.

Was soll aus so einem Mädchen werden, die so eine Kinderstube erfahren hat?

Kann es das überleben?

Den Spott ertragen, den es erfährt, wenn man über sie beiläufig spricht?

"Du Pussy", "Du Mädchen", "Tunte", "Transe", "Du bist ein richtiges Mädchen..."

Wie unerbittlich sind diese unsichtbaren Tränen geflossen,
und doch ist das Mädchen am Leben, freut sich immer noch, wenn man es streichelt,
wärmt das Herz, das es so lange verspottet hat.

Sagt, "Ich liebe Dich", weil es Strumpfhosen bekommt.

Wie kann sich diese Liebe über Jahrzehnte fortvererben, nach dieser Demut?

Welche Mühen nimmt es auf sich, nur ein paarmal, einige Minuten im Leben, gesehen zu werden?

Welche Zuversicht hat es, nicht vergessen zu werden, bei all dieser Verleumdung?

Welchen Fleiß legt es an den Tag, sich bemerkbar zu machen, unbewußt immer wieder in Erscheinung zu treten?

Warum hat es der Schmerz nicht schon hinweggerafft?

Warum ist es nicht schon in seinen Tränen zerlaufen?

Haben sie die vermissten Liebkosungen nicht schon in Erbittertheit zurückgelassen?

Warum hat sie nicht schon ihre Mühen bereut, die ungehört blieben?


Barton stand kurz davor, das Fenster aufzureissen, zu springen, diese Fragen zu beenden.

Dann ist Schluß. Dann muss er sich nicht mehr rechtfertigen.

Vor allem vor sich selbst, er war Kläger und Richter zugleich.

Der Richter war aber nicht mehr käuflich. Keine Ablenkung und Nebelkerze konnte ihn mehr blenden.

Es war Aus.

Dr. Edward Barton gab es nicht mehr.

Ihn hat es nie gegeben. Nur auf dem Papier.

Für diese Erkenntnis hat er 52 Jahre gebraucht.
Spät. Aber besser als nie zu dieser Erkenntnis zu kommen.

Natürlich öffnete Barton nicht das Fenster, er war viel zu verliebt in das Mädchen,
das an seine innere Tür klopfte, endlich freigelassen zu werden.
Er war viel zu verliebt in die Idee, und Vision, dieses verliebte Mädchen mit Chloe zu verkuppeln.
Damit sie wieder lachen können, ihre Augen, während sie Chloe lieben darf.

Das Cognac-Glas war noch nicht leer, Barton nippte wieder etwas, befeuchtete seine Lippen.
Er stellte sich vor, es wäre das Nass, Chloe`s Nässe zwischen ihren Beinen, während er ihre Schamlippen küsste.
Darum lohnt es sich zu leben. Das pulsieren ihrer Lippen zu spüren, Minuten bevor sie ihren Orgasmus bekommt.
Was ist sonst wichtig im Leben? Status. Ruf. Autorität. Welch eine Farce gegen dieses hohe Ziel.

Es war 2 Uhr. Barton ging rüber zu seinem Bett, zog seinen Bademantel über, legte sich ins Bett,
deckte sich zu.
Auf dem Nachttisch neben ihm lag das Foto aus Chloe`s Personalakte.
Er legte es sich vor sein Gesicht, drückte sein Kopfkissen zurecht.
Das Mondlicht war hell genug, Chloe`s Brüste, Brustwarzen waren gut zu erkennen unter dem nassen Stoff
ihres Badeanzuges.
Barton entspannte sich, fühlte sie sich herbei, sie lag nun vor ihm, mit dem Rücken zu ihm.
Er zog ihr Becken mit beiden Händen an sich und spürte ihren weichen Po.
Er stellte sich vor, dass sein Schwanz ein riesiger Kitzler wäre, der nun zwischen ihre Schamlippen eintaucht,
sich in ihnen vergräbt, immer tiefer, er drang immer mehr ein, immer tiefer.
Er gab ihr keine Stöße, sondern blieb ganz ruhig in ihr. Es war wunderbar, warm und geborgen.
Er zweifelte keine Sekunde, dass er sie gerade liebte, wie es eine Frau täte.

Seine beiden Händen umfassten ihre schweren Brüste,
streichelten sie, irgendwann schlief er ein, es muss das Gefühl ihrer Brüste gewesen sein,
dass er in seinen Händen hatte, das er zuletzte spürte, bevor er sein Bewußtsein verlor,
und träumte.
Es wird ein Traum gewesen sein, in dem nur noch ein Mädchen und Chloe vorkamen.


Bild
"The Tambourine"
1906
John William Godward
Bildlizenz: Public Domain


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