1.2.1 Dorfspaziergang

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JasminRheinhessen
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1.2.1 Dorfspaziergang

Beitrag von JasminRheinhessen » 06 Dez 2016, 12:38

Im Jahr 2017 geht eine Frau durchs Dorf spazieren,
auf der gegenüberliegenden Strassenseite tuscheln zwei Pärchen.

Kennt ihr ihn schon ? Schau mal, was er heute wieder an hat.
Nein - noch nicht gesehen, was ist das denn. Was ist mit ihm ?
Er ist hergezogen, vor ca. drei Monaten. Man sieht ihn nicht oft.
Er trägt Frauenkleider. Warum macht er das nicht zuhause ?
Hat er einen Partner ? Er ist doch schwul oder ?
Das sieht so beschämend aus, man muss sich als Frau schämen
wenn man sowas sieht, ich mag gar nicht hinsehen.
Schau Dir die Pumps an, jetzt im Oktober.
Kann man da nichts dagegen machen ?
Die Schule ist ja auch gleich hier in der Nähe.
Bloß gut, der Schulbus war schon da.
Man sieht die Bartstoppeln durch die Schminke.
Wohin geht sie eigentlich ?
Hat sie hergeschaut, kurz, ich meine fast. Oder ?
Stell Dir vor sie geht zu Erwin in die Kneipe, das gäbe ein Aufsehen.
Das wird sie sich nicht trauen.
Sie biegt ab, geht wieder zu ihrem Haus zurück.
Hat sie Strumpfhosen angehabt, hast Du was gesehen ?
Das Halstuch ist wahrscheinlich, um den Kehlkopf zu verdecken.
Meine Güte die Handtasche.
Meinst Du ob die Haare echt sind ?
Nein - ist eine Perücke - Kunststoff.
Sie sähe nicht mal so auf unserer Faschingssitzung lustig aus.
In dem Alter, so rumzulaufen.
Wenn der Kinderspielplatz hier fertig ist,
geht das nicht mehr, ich werde mal anrufen beim Bürgermeister.

Szenenwechsel:
Gleiche Szene im Jahr 2076:

Schau mal da geht Diana.
Ah - schöner Name.
Ist sie neu hier ?
Ja - erst hergezogen, hat noch keinen Anschluss.
Da müssen wir was machen, hast du eine Idee ?
Aber so, dass sie sich nicht überrumpelt fühlt.
Werde mal bei ihr klingeln und sie zum Spazierengehen abholen,
das bekommen wir schon hin.
Das grüne Kleid ist supersüß. Mit den weißen Linien drauf.
Wie im Frühling, obwohl es Oktober ist und trüb.
Sie lebt ihre innere Sonne.
Ja - sie ist vom Herzen eine ganz Liebe,
hab sie schon mal kurz gesprochen.
Du hast sie gesprochen ? Erzähl mal !
Ja - sie hat kurz mit mir geredet, ihre Freundin kommt auuch noch bald nach.
Sie hat eine Freundin ?
Ja - sie ist sehr verliebt, leidet etwas, weil sie noch nicht zusammenziehen können.
Das ist ja süß.
Was macht sie hier, warum geht sie hier alleine spazieren,
schau mal die süßen cremefarbenen Pumps, sieht bezaubernd aus zum grünweißen Kleidchen.
Ja - sie ist sehr stilbewußt - mich freut es richtig, wenn ich sie sehe.
Hat sie Kinder ? Sicher nicht oder ?
Werde sie mal einladen, meine Kleine hat in drei Wochen Geburtstag.
Jetzt ist sie weg - ist abgebogen, zu ihrem Haus.
Ja - sie ist schüchtern, sie hat gesehen, dass wir hier zu viert stehen und reden.
Naja - das bekommen wir schon noch hin.
Süß wie sie ihr Haare hinten hochgesteckt hat.
Sieht wie eine Frisur aus den 20er Jahren aus, das mag ich.
Ja, sehr apart - steht ihr auch gut.
Man kann richtig spüren, wie sie innen fühlt,
wie sie die Frau, die sie innerlich ist, mit ihrer Kleidung, ihrem Äusseren streichelt.
Es ist wichtig, dass wir ihr das Gefühl geben, dass wir diese Frau sehen können.


Bild

"A fair reflection"
1915
John William Godward


Quelle:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File ... odward.jpg
Lizenz: public domain

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http://www.freeyourgender.de/forum/viewtopic.php?t=1106



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Re: 1.2.1 Dorfspaziergang

Beitrag von JasminRheinhessen » 14 Mär 2018, 21:23

ohja - wundervoll, so schön, Du kannst schreiben, von diesen Texten würde ich ein ganzes Buch lesen, ohne mich zu fragen,
ob ich etwas besseres tun könnte - ja - der tiefere Sinn dieser Szene ist ein elementares Problem für diese Frauen,
sie sind etwas besonderes, wenn sie "erkannt" werden, und für das Besondere wollen sie ja nicht begehrt werden,
ein Paradoxum, jede Frau wäre froh, so begehrt zu werden, es gibt keine höhere Anziehungskraft wie zwischen Tranny-Lover und Tranny.
Aber wenn sie Frau sein will - ups - dann haben wir ein Problem. Und schon sind wir mitten drin im gesellschaftlichen Problemkomplex,
was sie will, was sie ist, was andere wollen, was andere nicht sehen können, weil sie blind sind.

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