Sabine Hark, Professorin für Soziologie

Antworten
Benutzeravatar
Freeyourgender
Site Admin
Beiträge: 1210
Registriert: 11 Sep 2014, 17:58
Wohnort: Karlsruhe
Kontaktdaten:

Sabine Hark, Professorin für Soziologie

Beitrag von Freeyourgender » 05 Mär 2015, 17:46

Sabine Hark, ist Professorin für Soziologie und leitet seit April 2009 das Zentrum für
Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIFG) der TU Berlin
(Zeitangabe bezieht sich auf das Interview November 2009)

Sabine Hark hier im Interview mit:
DER TAGESSPIEGEL und Anja Kühne
19. November 2009

http://www.tagesspiegel.de/wissen/sabin ... 35330.html

Der Artikel hier auch zum Direktlesen:

Sabine Hark, Soziologin
"Es gibt nicht nur zwei Geschlechter"

Auszug aus dem Interview:

Anja Kühne für DER TAGESSPIEGEL:
Die Übergänge zwischen Mann und Frau sind fließend ?

Sabine Hark:
Genau, und das nicht nur bei als intersexuell klassifizierten Menschen.
Diese Ansicht der kritischen feministischen Forschung ist seit einiger Zeit im Mainstream der Biologie und Medizin angekommen.
Geschlecht ist eine kulturelle Kategorie. Wie schon Simone de Beauvoir gesagt hat:
Wir werden nicht als Frauen geboren, sondern zu Frauen gemacht.

A.K.:
Immerhin können Frauen Kinder zur Welt bringen, Männer nicht.

S.H.:
Frauen sind nur einen sehr geringen Teil ihres Lebens gebärfähig, Man könnte also auch darüber nachdenken,
dass Frauen beispielsweise nach der Menopause in eine andere Klasse – die der Männer – wechseln.
Es gibt Kulturen, in denen das der Fall ist. Und es gibt genug Frauen und Männer, die keine Kinder bekommen können oder wollen.
Keins der Körpermerkmale, die bei der biologischen Geschlechtsbestimmung in Betracht gezogen wird – die Chromosomen, der Hormonspiegel,
ie inneren und äußeren Geschlechtsorgane – taugt dazu, jeden Menschen ein ganzes Leben lang auf ein bestimmtes Geschlecht festzulegen.
Die Unterschiede zwischen allen Männern sind größer als die zwischen Mann und Frau.
Das übersehen wir nur, weil das Raster der Zweigeschlechtlichkeit gesellschaftlich genutzt wird,
um uns den Unterschied zwischen den Geschlechtern immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.

A.K.:
Die meisten Menschen gehen aber davon aus, dass sich das biologische Geschlecht durchaus in typischem Verhalten enthüllt:
Mädchen greifen zur Puppe, Jungen zum Auto. Neulich erklärte etwa eine Intersexuelle im Rückblick auf ihre Kindheit,
sie sei schon als Mädchen auf Bäume geklettert und habe in der Klasse den Ton angegeben –
ein Hinweis auf ihr damals noch unbekannten männlichen körperlichen Anteile.

S.H.:
Dass Intersexuelle auf dieses Erzählmuster zurückgreifen ist nachvollziehbar, da wir in einer Gesellschaft leben,
die uns immer wieder versichert, dass Mädchen lieber mit Puppen und Jungs mit Autos spielen.
Offenbar gibt es aber viele „ganz normale“ Mädchen, die auch gerne auf Bäume klettern.
Und Jungen, für die Autos und Fußball auch nicht der Inbegriff ihrer Träume sind.
Aber im Ernst: Der Soziologe Erving Goffman spricht hier von Genderismus. Er meint damit,
dass das soziale Geschlecht einer Person dadurch bestätigt wird, dass ihre Verhaltensweise als geschlechtsspezifisch klassifiziert werden
kann.
Das heißt: Jungen und Mädchen – ebenso wie erwachsene Männer und Frauen – bestätigen sich selbst und anderen gegenüber ihr Geschlecht indem sie Verhaltensweisen wählen, die als ihrem Geschlecht angemessen gelten.

A.K.:
Die Norm verlangt, dass das biologische Geschlecht mit dem Auftreten als Mann oder als Frau übereinstimmen muss.
Warum hängt so viel von der Binarität der Geschlechter ab?

S.H.:
Die Transgender-Aktivistin Kate Bornstein hat einmal gesagt, es gibt zwei Geschlechter,
damit das eine Geschlecht das andere beherrschen kann. Das sei der einzige Grund, warum wir nach Geschlecht unterscheiden.
Man kann es weniger drastisch auch so sagen: Geschlecht ist ein gesellschaftliches Ordnungssystem das den hierarchisierten,
abgestuften Zugang zu Ressourcen der verschiedensten Art regelt.

A.K.:
Sehen Sie Entwicklungen hin zu mehr Gelassenheit mit Menschen, die in diesem Punkt von der Norm abweichen?

S.H.:
Ja und nein. Als notorische Optimistin sehe ich, dass der Aktivismus von Transgender und Intersexuellen in den letzten Jahren hier
einiges bewegt hat. Allerdings ist die Gewalt – und das schließt auch chirurgische Eingriffe bei Neugeborenen oder erzwungene
Geschlechtsfeststellungstests ein – gegenüber gender-nonkonformen Menschen nach wie vor nicht zu unterschätzen.
Sie muss als das angeprangert werden, was sie ist: als menschenrechtswidrig.



Benutzeravatar
Rosi
Beiträge: 48
Registriert: 05 Feb 2015, 23:19
Wohnort: Sifi

Re: Sabine Hark, Professorin für Soziologie

Beitrag von Rosi » 05 Mär 2015, 20:12

... enthält viel "Kern" und "Wahrheit".
Ich bin zwar "weich", aber darin bin ich "knallhart"

Antworten

Zurück zu „Forschung“