1.2.63 Im offenen Strafvollzug der Norm

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JasminRheinhessen
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1.2.63 Im offenen Strafvollzug der Norm

Beitrag von JasminRheinhessen » 25 Mär 2017, 00:26

(Text wurde in Buchformat formatiert und hier nur einkopiert, daher hier falsche Zeilenumbrüche, aus Zeitgründen,
wird hier keine bessere Formatierung vorgenommen)

Conchita Wurst, ein Star aus den Jahren 2014 bis 2017, ja sie konnte fantastisch singen, aber das besondere war ihre Kleidung, ein Mann, der in Frauen­kleidern auftrat. Perfektes Passing, aber sie ließ sich einen Vollbart stehen. Nun, vielleicht wollte sie eine Kunstfigur schaffen, vielleicht auch nicht. Wenn wir unterstellen, dass sie innen eine Frau ist, könnte sie folgende Überlegung zu ihrem Entschluss gebracht haben:
Ohne Bart sehe ich noch perfekter weiblich aus, aber die Medien sagen, dass ich für sie biologisch betrachtet ein Mann bin, also werden 99% der Zuschauer mich als verkleideten Mann sehen. Und das eine Prozent, dass mich dann als Frau sieht, sieht mich jetzt auch schon als Frau, mit Bart, sobald ich diesem einen Prozent sagen würde, ich bin eine Frau. Was hätte ich also gewonnen, wenn ich den Bart rasiere und mich perfekt schminke? Ein Schwanz unter Frauenkleidern.
Die Unterdrückung der Frauen durch Männer ist aus der gleichen Intention gespeist, wie das Nichtzulassen, dass einem Menschen mit Schwanz zugesprochen werden könnte, dass er eine Frau wäre. Das Symbol, das Männer zu Männern macht, und damit die Hirarchie festlegt in der Gesellschaft, wer wen unterdrücken darf, würde dann ins Lager wechseln, dass unterdrückt werden soll. Ja, den Personenstand kannst Du wechseln, aber in der Ansicht der Unterdrücker bist du nur sozial eine Frau, Du 'spielst' eine Frau und lebst 'als' Frau, Frau in Deinem Verständnis bist Du für diese Herrschaftsmacht nicht.
Was hast Du für eine Zelle? Wie lange darfst Du auf dem Hof sein? Lauscht Du dem Vogelgezwitscher, das früh und abends fast kein Ende nimmt? Denkst Du an die LIebespärchen, im Frühling auf den Parkbänken in den Parkanlagen der großen Städte, die die weite Welt verkünden? Deine Augen suchen vergeblich sich küssende Männer und Frauen? Vielleicht möchten sie beim Hofgang nicht auffallen, um danach nicht gefoltert und blindgeschlagen zu werden? Denn dann könnten sie sich nicht mehr mit der Hand ein Stück Kohl aus der Brühe fischen, die Suppe genannt wird, weil es für politische Häftlinge kein Essgeschirr gibt.
Deine Zelle ist nicht 4m lang, 2.3m breit und 3,2m hoch. Sie hat auch keine Wände, gegen die Du laufen könntest. Sie ist immer da, wo Du bist, deine innere Stimme ist immer bei Dir und sagt Dir, dass Du eingesperrt bist. Und wenn diese einmal schweigen sollte, erinnern Dich Menschen und die Umwelt ständig daran, dass Deine innere Stimme Wände erzeugt.
Unser Fühlen, Begehren wurde von Moral und Regelwerken enteignet. Das macht uns schwach, macht uns zu Kämpfer_innen. Wie führen wir den Kampf? Indem wir unsere durch unser Reptiliengehirn ausgeschütteten Hormone sprechen lassen. Wir lassen uralte Reaktionsgefühle, die wir in Urzeiten gegen einen Feind etabliert haben, gegen ein wildes Tier, dass uns angreift, nun gegen unsere selbst­gemachten Regelwerke sprechen, damit wir unsere Gefühle, die nicht gegen einen Feind gerichtet sind, sondern uns gut tun, leben können. Perfide. Das Resultat ist der ständige Kampf gegen uns selbst.
Und ja - es ist schon erstaunlich, dass wir Homosexualität(SIC!), und Tr☹nssexualität(SIC!) als etwas angeborenes darstellen müssen, um uns dafür zu entschuldigen, sie verteidigen zu wollen, gut finden zu wollen. Völlig perfide. Als gewählte Option müssten wir uns dafür schämen nicht wahr? Intersexualität ist angeboren, wäre sie nicht angeboren, oder wählbar, wenn dies medizinisch möglich wäre, müssten wir für diese Option streiten wie für den Sozialismus gegen die herrschende Klasse. Da sie aber angeboren ist, wird sie 'im Ansatz' bereits vernichtet, werden auch die unterdrückt, die gar nicht streiten wollen. Das Skalpell soll diesen Streit erst gar nicht aufkommen lassen. Die Schreie der Babys sind nicht zu hören. Sie verstummen hinter den dicken Türen und Wänden des Operationssaales, und später in der traumatisierten Seele dieses Menschen. Das Skalpell wirkte auch als „Schwert“ der Macht bis zur Novelle des Tr☹nssexuellengesetzes 2011 gegen mündige Erwachsene, als die Operation als Bedingung für eine Personenstandsänderung in Deutschland für sogenannte Tr☹nsfrauen festgeschrieben war. Heute wird das Schwert ersetzt durch Verschuldung. Die Last der Schuld, etwas zu tun, was Du besser verschweigst, als darüber zu reden. Diese Last zerquetscht viele bereits, bevor sie den Rest ihres Körpers durch den Sprung in die Tiefe der genitalistisch-faschistischen Geschlechterideologie entziehen. Die Behauptung, ein Penis würde einen Mann beschreiben, und das XY-Chromosom festlegen, wer männlich und weiblich ist, ist Gesetz. Wie das Gesetz, dass die Erde eine Scheibe wäre. Wie das Gesetz, das 'Ordnung und Gesetzlichkeit, zur wahren Einigkeit' führen würde, wenn ihr euch einig seid, dass der Mensch, der nach dem Brückensprung reglos am Boden liegt, selbst an seinem Schicksal schuld ist, könnt ihr diesen Roman gerne zur Seite legen. Verwunderlich ist aber für die Autorin dann, warum ihr bis hierher gelesen habt. War es allein das Ergötzen am Leid, dem ihr beiwohnt, wie bei einer öffentlichen Hinrichtung, dass euch diesen Roman noch in den Händen halten lässt?
Die Konfrontation mit Euch ist unvermeidbar, die Auseinandersetzung unausweichlich. Bin ich homosexuell oder bisexuell bleibt mir die Option, dies in einer heteronormativen Welt verheimlichen, verstecken zu können. Genau wie der konformheterosexuelle, konformmonogame, konform­verheiratete, konformreligiöse, konformliberale, krawattentragende Stadtratsvorsitzender seinen Sexurlaub in Pattaya oder die konform­heterosexuelle, konform­monogame, konformverheiratete, konform­regligiöse, konformliberale Gartenzwerg- und Zweitwagenbesitzerin ihren Sexurlaub in Kingston. Nein - ich kann meine intime Gefühlswelt nicht verstecken. Ich stehe in ständiger Konfrontation. Weil ich sichtbar bin, weil mein Kehlkopf zu sehen ist, meine Stimme zu tief ist, oder meine Perücke heute schlecht sitzt. Weil ich keine Operation habe und diese Tatsache in der Sauna verstecken muss, in eine Damensauna erst gar nicht hinein­komme, weil es die Hausordnung verbietet. Weil meine Narben der Mastektomie einfach nicht verheilen wollen und ich es leid bin, Menschen von meinem vermeintlichen Brustkrebs zu erzählen, weil sie die Wahrheit sowieso nicht verstehen. Weil ich immer noch meine Vagina habe, weil ein Penoid-Aufbau für mich keinen Sinn macht, weil die Medizin das nicht leisten kann, was ich mir wünschen würde, was ich brauche, um meinen Körper mit meinem angeborenen Denken zu harmonisieren. Mein pränatal geprägtes Gehirn passt nicht zu meinem Körper, das ist tragisch, aber ich passe auch nicht zu dieser Gesellschaft. Die nur Frauen als Frauen und Männer als Männer sieht, die mit entsprechendem Genital geboren werden. Die Sexualität außerhalb der Normalität, der Heteronormativität, als etwas betrachten, für dass ich mich erklären muss. Ja - der Genitalismus läßt keine Frauen zu mit Schwanz. Diese müssen als schwul abgestempelt werden, wenn sie sich Männer zuwenden. Desshalb muss schwul auch eine politische Kategorie sein. Genau wie es eine politische Kategorie ist, wenn ich meine Kleidung nicht nur zum Karneval oder während einer Rocky-Horror-Picture-Show-Party trage. Sollte ich dies wagen, werde ich als verkleideter Mann gelesen, als perverser Spinner, vor dem ich meine Kinder verstecken muss, damit sie nicht „auch so“ werden. Eine mit Vagina geborene Frau, die sich männlich kleidet, wird nicht automatisch als Spinner gesehen, welch Vorteil. Dafür als Kampflesbe oder mindestens als Lesbe, wenn sie ihre Freundin öffentlich küsst. Ist ja nicht schlimm. Du hast ja auch Lesben in Deinem Bekanntenkreis nicht wahr? Und die sind auch alle nett. Sogenannte Tr☹nssexuelle sind sichtbar, da ihr Äußeres nonkonform wirken muss in der heteronormativen Konstruktwelt, sogenannte Tr☹nssexuelle müssen ihr Äußeres so gestalten, da sie die Chance erhalten wollen, dass zumindest die wenigen Prozent der Gesellschaft, die sie verstehen könnten, sie sehen. Sie stehen damit ständig in der Politik. Ihre inneren intimen Gefühle sind ständig in der politischen Verhandlung. Sie stehen ständig vor Gericht, müssen sich permanent verteidigen. Befinden sich in einer ständigen Verteidigungsrede. Sie sind nicht die Norm. Sie befinden sich außerhalb einer Norm, die dazu dient, sie zu unterdrücken. Und mit Toleranz, Akzeptanz ist hier nicht geholfen, wenn die Blicke des Nichtverstehens, des Unverständnis Dich wie Giftpfeile jeden Tag in den Rücken treffen, Du die Worte, die hinter vorgehaltener Hand gesprochen werden kennst. Dann ist es erträglicher, wenn Dir diese Menschen ehrlich ins Gesicht sagen, was sie von Dir halten, als Heuchelei und Jovialität. Einen Homosexuellen in Frauenkleidern, als Erzieher in unserem Kindergarten? Eine Gefahr für unsere Kinder! Schreiben sie, Fr. Müller: “Vielen Dank für Ihre Bewerbung. Trotz sehr guter Zeugnisse und Referenzen konnten wir Sie nicht für die ausgeschriebene Stelle als Pädogogen berücksichtigen, da diese bereits zwischenzeitlich vergeben worden ist. Vielen Dank und viel Erfolg auf ihrem weiteren Berufsweg.“

Dientag 6. April, Nachmittag. Klinikzentrum Zimmer 29.
Marleen las seit Jahren Anthologien von Jasmin, heute war sie guter Stimmung, Mirabell hatte sie, als sie am Gebäckautomaten saß, aufge­heitert, Mut gegeben. Desshalb konnte sie auch heute lesen. Schon seit Tagen hatte sie nicht mehr die mentale Kraft dafür. Ihr inneres Nein war so stark geworden, dass die Zeilen vor ihren Augen verschwammen, die Buchstaben flirrten. Der Sinn der Zeilen konnte nicht mehr aufgenommen werden, weil ihre Sinne dafür nicht mehr bereit waren. Dieses Gefühl war immer im Hintergrund, das Gefühl der Aufgabe. Sie hatte einen Schwanz und war kein Wesen, dass man Mann nannte, und dass desshalb Mann war, weil es einen Schwanz hatte. Sie war außerhalb einer Norm.
Marleen las den nächsten Artikel, ein langer Artikel über Norm, Jasmin gab sich damals viel Mühe, der Welt zu erkären, was sie meinte. Die meisten waren zu faul ihre langen Texte zu lesen, wollten sowieso nicht ihre eigene Meinung überdenken. Das hat Marleen nie verstanden, seitdem sie die Schriften von Jasmin entdeckt hatte, hat sie dieses Phänomen nie verstanden, dass sie zu ihrer Zeit nicht gelesen wurde. Ihre Texte erschienen ihr durchdacht, plausibel. logisch und schlüssig. Eine Soziologie-Forscherin, Analytikerin der Gesellschaft in Bezug auf Geschlecht. Und Geschlecht ist eine der Hauptkategorien innerhalb einer Gesellschaft, Teilt Gesellschaft hälftig in zwei Welten. Aufgrund des Genitals. Unerbittert, ohne Gnade. Ohne Widerspruch. Ja - die genitale Norm. Darüber hat sie viel geschrieben, und auch darüber, welche fatalen Folgen diese Zwangsteilung, diese Spaltung der Gesellschaft, hatte. Wie auch in diesem sachlich verfassten Artikel vom Sommer 2014:

Meinen Artikel möchte ich beginnen mit der These:

Wenn keine Vagina zu haben für eine Frau
nicht unnormal wäre,
bestünde kein Grund zur Panik, wenn ich keine habe,
aber trotzdem eine weibliche Identität.

Mein Artikel klammert den Betrachter einer falsch zugewiesenen Frau als Beispiel für einen Menschen mit von seiner körperlichen Ausprägung abweichenden Geschlechtsidentität am Anfang erst einmal aus, ich komme am Schluss dann auch zu dem wichtigen Problemaspekt Gesellschaft.
Es soll am Beginn meiner Erklärung aber erst nur einmal um die falsch zugewiesene Frau selbst gehen und ihre eigene Selbstwahrnehmung und Betrachtungsweise. Ich möchte aber schon vorwegnehmen, dass alles was ich anführe, für den Betrachter in gleicher Form Gültigkeit hat.
Panik, Suizidgefühle. Diese Reaktion als Worst-Case-Szenario, wenn keine Lösung mehr scheint. Warum entstehen diese Gefühle.
Ich möchte hier nicht die Ursache der "Tr☹nssexualität (SIC!)" erklären, sondern die Ursache, warum die genannten Gefühle - als Beispiel die extremen Gefühle Panik, Suizidgefühle - bei der Realisierung meiner "Tr☹nssexualität (SIC!)" auftreten.
Die Gefühle sind jetzt extrem gewählt, es kommt aber für die Erklärung nicht darauf an, ob ich diese harmloser wähle, ich kann die Gefühlswirkung beliebig scalieren, wichtig ist, dass es eine mehr oder weniger starke Gefühlsreaktion gibt. es geht um das Warum.
In unserem Gehirn gibt es einen Bereich, der sehr wichtig ist, den wir aber nicht bewusst wahrnehmen, wir müssen daher diesen Bereich für unsere Betrachtung miteinbeziehen. Dieser Bereich, der Hirnstamm, der älteste und tiefliegendste Teil des Gehirns, er wird auch Reptiliengehirn genannt, er steuert alles was wir unbewusst machen, Atmen, Verdauung, viele vegetativen Prozesse, Herzschlag, usw., wir müssen uns um diesen Bereich in der Regeln nicht weiter kümmern.
Dieser Gehirnanteil meldet im "Normalfall" keine Signale. Sobald sich der Normalfall ändert, wird es gereizt und steuert unseren Organismus.
Dieser Bereich hat überlebenswichtige Funktionen, und hatte sie früher schon: ein Jäger trifft auf ein wildes Tier, er kann nun das Tier mit seinem Speer angreifen, oder fliehen. Angriff oder Flucht.
Diese beiden Variationen werden deshalb erzeugt, weil das Reptiliengehirn im Falle von Gefahr Kampfhormone ausschüttet, wäre es nicht da, würde der Jäger dasitzen und einfach nichts tun, was für ihn das Ende bedeuten könnte.
Übertragen auf das Tierreich, es gibt Tiere die andere Tiere fressen, und der Körper hat hier durch Erfahrungen Funkionalitäten, Steuerfunktionen, bereitgestellt und erlernt, deshalb wurde dieser Bereich Reptiliengehirn genannt.
Es werden nun Kampfhormone ausgeschüttet, die das Denken verlangsamen und Kraft in Arme und Beine verlagern, die Energie wird vom Kopf in die Muskeln transferiert, ob er angreift oder flieht, für den Körper und den chemischen Prozessen im Gehirn ist das der gleiche Aufwand und Vorgang, es wird Kraft gefordert, und zwar schnell, Denken wird minimiert, und auf Reflexe reduziert.
Der Auslöser dieses Prozesses war eine unnormale Situation. Nur in unnormalen Situationen laufen diese Prozesse ab.
Diese Situationen können lapidare Situationen im Alltag sein, Verhalten von anderen Menschen,
Abweichungen von der Normalität die uns unsere Erziehung vermittelt hat.

Egal wie klein oder groß das Ereignis ist, dass aus unserer eigenen für normal, besser harmonisch, angenehm empfundenen individuellen Regelwerk-Welt heraussticht, der diesen Zustand störende Vorgang wird unser Reptiliengehirn reizen und wir werden eine Reaktion spüren. Wir regen uns auf, wir ärgern un. Ärgern ist fast eine zu triviale Beschreibung, denn die Folgen sind katastrophal für unser Wohlbefinden.
Wir schwitzen, unser Puls geht nach oben, wir greifen an, oder fliehen, oder fressen den Ärger in uns hinein, was einer Verwundung unserer Seele gleichkommt, und somit wie eine äußere Verletzung, aber unsichtbar, wirkt.
Als Angestellte oder Angesteller in einem Großraumbüro ist es etwas schwierig, den Raum einfach zu verlassen, wenn Arbeitskolleg_innen einen dummen Spruch loslassen, oder eine Grimasse ziehen, es bleibt sich zu "ärgern", oder auch anzugreifen, oder mit Humor, einen "Gegenagriff" zu lancieren, und einfach auch einen dummen Spruch loszulassen.
Wir sind von Ärger wegen dummen Sprüchen zurückgefallen auf Panik und Suizid bei Tr☹nssexualität(SIC!), größer könnte die Spannweite nicht sein in der Betrachtung, aber dies zeigt auf, und wir erkennen, dass in unserem Gehirn in allen Fällen immer der gleiche Mechanismus ausgelöst wird.
Wir sollten daher auch bei vermeintlichen Bagatellen, unserem Alltagsärger, immer uns vorsichtig zurückfragen, ob wir diese nicht abstellen, da uns dieser Ärger mehr schadet, als wir zugeben wollen.
Ärger über die Tastatur des Computers, bei der die Leertaste nur in 57,6 Prozent der Fälle geht und wir ständig jedesmal aufs Neue uns ärgern, wenn wir an dieser 'Maschine' unsere Arbeit verrichten, die dann logischerweise negativ konnotiert wird, und diese negative Stimmung sich sogar in dem Text niederschlagen wird, den wir verfassen, Ärger über die Nachbarn, die uns ohne Grund einfach anfeinden, und Nichtigkeiten zu Dramen aufblasen, oder der Ärger, wenn uns ein Mensch offen sagt, dass er uns nicht leiden kann, weil wir einen Rock tragen und für ihn das Aussehen einer Frau haben.
In uns löst alles Unwohlsein aus, in allen Beispielen, nur der Grad des Unwohlseins ist jeweils ein anderer, und mit dem Grad des Unwohlseins, dem Maße, wie stark der Schmerz ist, ändert sich somit die Lösung, die Strategie der Problemlösung, das Unwohlsein irgendwie zu beenden, entgegenstellen, bzw. welche Art der Problemlösung wir bereit sind zu erwägen. Einen Gegenangriff mit einem dummen Spruch, oder ein Suizid. Beiden Dingen sind gemein, das es sich um Maßnahmen handelt, das Leid zu beenden.
Es passiert etwas, was wir nicht als normal empfinden, der Kollege verhält sich nach unserem Ermessen und unserer Erziehung wie ein Trampel, beleidigt uns schon mit seiner Anwesenheit und seiner schlechten Umgangsform, wir werden wütend, weil wir uns angegriffen fühlen, gehen entweder in die Teeküche (Flucht) des Büros, oder stellen ihn zur Rede, warum er dies oder das nicht unterlässt, und nicht so ist wie wir uns das vorstellen (nicht unserer Normalität entspricht).
Wenn wir Chef wären, würden wir ihn rausschmeissen (angreifen), aber wir können es nicht, wir müssen uns anpassen, die Situation, lösen, im Büro bleibt nur die physikalische (entfernen) oder mentale (ärgern) Flucht.
Bei Tr☹nssexualität(SIC!) passiert etwas, was auch nicht normal für uns ist: Wir erkennen unsere Identität, die nicht normal für unser körperliches Äußeres ist.
Für das Äußere, wo uns gesagt wurde, dass es entweder männlich oder weiblich sein soll. Das ist das, was wir von Kind auf beigebracht bekommen haben, unser ganzes Denken wurde so geprägt, über Jahre, Jahrzehnte: Penis=Mann, Vagina=Frau. Wir erleben nun, eine Zerstörung dieser "Harmonie, indem wir für uns Feststellen, dass diese Formel, diese Aussage nicht stimmt für uns.
Der Angreifer der unsere Harmonie zerstört, ist kein wildes Tier, oder ein Arbeitskollege, oder eine rote Ampel, die uns auf dem Weg zur Arbeit nervt, oder jemand der uns beleidigt, oder jemand der uns ausrauben will, nein der Angreifer, und es muss nicht mal ein Angreifer sein wie wir sehen, ist festzustellen, dass wir nicht dem entsprechen, was andere als "Normal" bezeichnen.
Wichtig ist festzuhalten: Es muss nicht unbedingt eine Bedrohung sein, die diese Reaktionen auslöst, sondern nur etwas 'Unnormales' muss passieren, damit wir so reagieren, und was normal ist definieren wir in diesem Fall persönlich immer selbst.
Wir definieren es desshalb selbst, weil es uns jahrelang eingehämmert wurde. Das Unnormale ist es auch nicht direkt, was uns Angst macht, sondern die Folgen, wie andere auf diese "Unnormalität" reagieren:
Mit Spott, Ausgrenzung, auch mit Aggression. Auf jeden Fall mit allem möglichen, aber nicht mit Anerkennung und Lobesgesängen.
Angenommen wir werden "normalerweise" jeden Tag von unserer Frau geweckt, jeden Tag, immer, seit Jahren. Eines Morgens klingelt es zu einer völligen untypischen Uhrzeit an der Haustür. Ganz früh - sagen wir 5:30 Uhr Morgens. Der erste Gedanke ist - was ist da los - das ist nicht 'normal' - wir geraten in Zweifel, und denken alles mögliche, wir gehen nicht langsam zur Tür sondern rennen evt., weil wir denken es ist etwas passiert, etwas wichtiges, die Nachbarin steht an der Tür und sagt:
"Guten morgen, ich wollte Dich wecken! " - Der erste Gedanke ist: nicht normal! Wo ist meine Frau? Ist ihr was passiert? Warum weckt mich die Nachbarin? Was ist da los? Adrenalin wird erzeugt, es fallen Sätze evt. wie: Was ist mit meiner Frau? (In Aufregung) Dann als Antwort von der Nachbarin:
"Sie ist vorhin schon zur Arbeit gefahren, und lässt Grüße ausrichten"
Dann wieder Aufregung, weil gedacht wird, sie macht das aus einem bestimmten Grund, vielleicht ist sie verärgert? Irgendwas stimmt da nicht an der Story, da stimmt was nicht 'nicht normal'! Die Kampfhormone werden solange den Körper in Stressdisposition halten, bis alle Zweifel beseitigt sind. Egal wie man so eine Situation auch konstruiert, wie trivial oder tragisch sie auch sein mag, es läuft im Körper immer der gleiche Prozess ab. Angst, Flucht oder Angriff.
Das 'Normale' für uns, wenn wir realisieren, dass unser Körper nicht übereinstimmt, bestimmen wir einmal selbst, und zum anderen wird diese Norm durch unsere Erziehung festgelegt. Der Teil der Erziehung, Kindergarten, Schule, Eltern, Gleichaltrige, Lehrer, das gesamte Umfeld. Dies ist der Teil der kognitiven Prägung unseres Gehirns, der Anteil, der von außen uns beeinflusst hat. über Jahre.
Unser Gehirn, das angeborene weibliche Gehirn, pränatal geprägt, legt aber in bestimmten Fällen eine andere Erwartung als diese Norm fest. Die Angst wird nun dadurch erzeugt, dass der Abgleich zwischen unserem kognitiv geprägtem Gehirn (das uns z.B. sagt, das die Formel Penis=Mann, Vagina=Frau richtig sein soll) und unser pränatal geprägtes Gehirn, das uns sagt, dass wir eine Frau sind, eine Differenz erzeugt hat. Je größer diese Differenz, je größer der Problemkomplex. Es ist ja ein Unterschied, ob wir unsere weibliche Identität schon damit zufriedenstellen können, indem wir Damenwäsche heimlich tragen, oder ob wir unseren Körper verändern wollen.
Ein homophober Mann hat Angst vor Schwule, er beginnt sie zu hassen, um von seinem Problem, dass er selbst nicht lösen kann, abzulenken.
Ein Rassist hat Angst vor Menschen, die nicht seiner Rasse angehören, die er als 'normal' definiert. Er beginnt sie ebenfalls zu hassen, da sie seine Identität, dass er über sie steht, angreifen, wenn er sie gleichstellt in den Rechten.
Der homophobe Mann würde seine Identität als Mann verlieren, die für ihn ja so wichtig ist, er möchte nicht als Frau mit Schwanz gelten, da er dann von anderen homophoben Männern ausgelacht werden würde, angefeindet und diskreditiert.
Der Rassist möchte nicht als gleichwertig gelten mit der Rasse, die er anfeindet. Sonst würde er von anderen Rassisten als Verräter dargestellt, als jemand, der die Abgrenzung zersetzt. Die ja gebraucht wird, um eine Gruppe, die Gruppe der man selbst angehört, über die andere zu heben.
Desshalb muss ein Rassist hassen, allein schon als Schutz, damit er von seinen anderen Freunden, die auch Rassisten sind, nicht ausgestoßen wird.
Hier wird nur die Gruppendynamik beleuchtet, die entsteht, wenn ich in der einen Normgruppe bin, und nicht in die andere Gruppe, die außerhalb der Norm liegt, hineingestßsen werden will, indem ich die Gruppe die außerhalb der Norm liegt, verteidige.
Nicht beleuchtet wird hier die eigentliche Ursache von Rassismus und Homophobie, sondern nur die Gruppendynamik, wenn in der Gesellschaft bereits der Konsens vereinbart ist, wer in bestimmten Gruppen gehört und nicht, und welche Gruppen es geben soll.
Alles was außerhalb unserer als normal empfundenen Welt liegt, oder der Welt, die uns jahrelang als 'normal' verkauft wurde, möchten wir, wenn wir es nicht zerstören oder zumindest verdrängen oder verleugnen können, ausgrenzen, ausgrenzen ist der Ersatz für Flucht.
Wir können uns aber nicht selbst ausgrenzen, wenn wir selbst nicht einer Norm entsprechen, doch, das geht: wir springen von der Brücke.
Nichts anderes ist das Ergebnis der erzeugten Reize durch Angriffe, z.B. Nichtakzeptanz, Reize die vom Reptiliengehirn kommen, die so stark sein können, je nachdem wie stark wir die 'Unnormalität' empfinden. Je nachdem wie stark die Folgen in der Gesellschaft wären, die wir zu ertragen hätten.
Das Reptiliengehirn kennt keine Feinde, sondern nur normal und unnormal, ein Tier was auf uns zuspringt ist 'unnormal', ein Tier was friedlich grast ist 'normal', diese Einstufungen sind erlernt und werden auch zum Teil vererbt, angeboren, sind in der DNA mit enthalten, in unserem Gehirn bereits angelegt.
Damit möglichst viele Menschen sich synchron wohlfühlen und nicht ständig sich angreifen oder fliehen, gibt es innerhalb gleicher Kulturen gleiche Normwerte, Erziehung, Rituale, Rahmenbedingungen, oder lapidare Dinge, wie zu sagen: Frauen müssen eine Vagina haben.
Wenn dies innerhalb der Kultur nicht verlangt wäre, bliebe noch das Problem, dass mein Gehirn mit mir selbst nicht zurechtkommt. Das mein Gehirn mit meinem Genital nicht zurechtkommt. In beiden Fällen, im Zwist mit mir selbst, und im Abgleich mit der Umwelt, kämpfen wir gegen das Unnormale: Wir kämpfen gegen unseren vermeintlich unnormalen Körper, und wir kämpfen gegen die Umwelt, die uns als unnormal wahrnimmt, der wir uns aber als normal erklären sollen und wollen.
Dies triggert in ständiger Weise unser Reptiliengehirn, wir sind ständig in Angriff und Fluchtsituation: Wir haben die Tr☹nsition noch nicht beendet, und haben Angst, morgens vor dem Spiegel, ob alles passt. Bevor wir ins Büro zu Arbeitskolleg_innen gehen haben wir bereits Stresshormone im Körper, bevor es überhaupt mit der Arbeit losgeht. Dagegen können wir nichts machen. Jeden Tag aufs neue, der Kampf gegen die Gesellschaft, gegen unseren Körper. Doch es gibt eine Lösung. Die Lösung heißt:
Unsere Normwerte verändern. Wenn das Reptiliengehirn keine Reize mehr bekommt, wird es uns nicht mehr in Stress versetzen, wenn das Reptiliengehirn denkt, alles ist normal, werden wir entstresst sein.
Wir ändern einfach den Normwert: 'Frau hat keinen Bart' um. Conchita Wurst schaltete diesen Normwert aus und provozierte damit die Reaktion beim Publikum, die dann entsteht, wenn Zuschauer_innen nicht mehr auf diese Norm zurückgreifen können, wenn diese Norm keine Norm mehr ist.
Wir müssen versuchen, unsere Abweichung, unsere Geschlechts­identität, und unseren 'scheinbar unpassenden' Körper dazu, als normal zu begreifen. Sobald wir das tun, haben wir unseren größten Feind, in diesem Fall uns selbst, besiegt. Deshalb der größte Feind, weil er immer präsent ist, sobald wir morgens aufwachen und sich unser Bewusstsein einschaltet.
Bleiben noch die anderen, die Gesellschaft: Viele werden uns akzeptieren, und erst recht dann, wenn sie uns fröhlich erleben, harmonisch und nicht leidend. Einige werden uns hassen, uns mobben, es sind aber nicht viele. Andere Menschen werden aus anderen Gründen gemobbt, dieses Problem ist überschaubar, im Zweifelsfalle trenne ich mich von meinem Partner oder ich wechsel meinen Job. Wenn ich es schaffe, mich selbst zu besiegen, sind die verbleibenden Probleme lösbar, überschaubar.
Mir immer zu sagen: Es ist normal, dass ich groß bin, es ist normal dass ich große Füße habe, es ist normal dass ich eine tiefe Stimme habe, und es ist normal, dass meine Kopfform etwas unweiblich aussieht, es ist normal, dass ich einen Kehlkopf habe, es ist normal, dass ich keine breiten Hüften habe, und es ist normal, dass ich keine Gebärmutter und keine Eierstöcke habe, und es ist normal, dass ich einen Penis habe.
Sobald ich in Ruhe und Frieden mit mir komme, in Harmonie, werde ich von meinen Angriff und Fluchtgedanken gegenüber meinem Körper nicht mehr gestresst, mein Reptiliengehirn empfängt keine Signale mehr, ich kann mich in meinem Körper wieder wohlfühlen. Ich kann meinen Körper lieben. Nein es ist nicht unnormal etwas langes zu haben, zwischen den Beinen, was andere Penis nennen, es ist schön so zu sein und eine Frau zu sein. Und wenn Du Deinen Körper liebst, fügst Du ihm keine Schmerzen zu, weder mental, noch mit einem Skalpell, noch durch den Sprung von der Brücke.

Marleen schwirrte der Kopf, sie spürte wieder ihre Machtlosigkeit, ihre Ohnmacht. Der Zuspruch von Mirabell, die Hoffnung die sie aussprach, sie solle nur ihresgleichen suchen, die anderen, die sie nicht verstehen, einfach ignorieren, sie würde zuviel Kraft benötigen. Diese Zusprüche waren so richtig, aber so richtig sie waren, so wenig Kraft hatte sie, sie umzusetzen. Sie wollte an die Hand genommen werden. Ins Paradies geführt. Ins Paradies des Verstehens. Ins Paradies, dass sie sich nicht tausendfach erklären muss. Jeden Tag, jedem Blick der ihr nachstreift, jedem der sie anspricht, mit den Augen oder mit dem Mund, oder beidem. Sie muss sich immer erklären. Immer ausdrücken, durch ihre Kleidung, durch ihren Mund, durch ihre Worte, ich gehöre nicht zu den Männern. und erst recht nicht zu denen die patriarchal Frauen unterdrücken. Das ist anstrengend. Besonders enttäuschte Frauen, die ihn verdächtigten, er würde sich nur in die Frauenwelt einschleichen wollen, um sich Nähe zu verschaffen, war so verletzend. Gerade diese Frauen wollte er doch beschützen, gerade von diesen abgewiesen zu werden, mit seiner weiblichen Seele in sich, machte ihn unfassbar traurig. Für keine war er Marleen. Er war immer Er. Ein Verkleideter. Ein Typ. Ein Kerl.
Marleen war verwirrt, ihre Frustration steigerte sich immer mehr. Sie verlor die Objektivität. Wussten diese Menschen, dass sie Marleen damit töteten? Würden sie Gedenkmünzen wie Papst Gregor XIII für das Andenken an die Bartholomäusnacht prägen? Marleen berührte eine Videodatei, ein Lied erklang leise. Es war 1973 in Deutschland ein Erfolg. So schön. Lobo's 'I'd love you to want me'. Marleen wünschte sich, sie könnte auch mit Musik sich verständlicher machen, sich ausdrücken , was sie fühlte. Aber würden sie dann verstehen, was sie sagen will. Vielleicht.
“Baby, I'd love you to want me
The way that I want you
The way that it should be
Mmm, baby, you'd love me to want you
The way that I want to
If you'd only let it be...“
Marleen fühlte sich, als ob dieses Lied aus einer anderen Welt zu ihr herüberdrang. Aus einer Welt, zu der sie keinen Zugang mehr fand. Wer damals zum Zeitpunkt, als das Lied erfolgreich war in Deutschland lange Haare trug, wurde als Anarchist beschimpft. Wer schwul war, wurde strafrechtlich verfolgt, Ja im Jahr 1973, als dieser Song die vordersten Plätze der Charts in Deutschland anführte, bekam der §175 seine zweite Reform. Es sollte bis 1994 dauern, bis er aus dem Strafgesetzbuch in Deutschland gestrichen wurde. Vielleicht eher ein Ergebnis der Wieder­vereinigung, denn die DDR hatte ihn 1988 gestrichen, als ein Ergebnis der Gerechtigkeit und Humanität.
Warum half der Staat nicht. Das Urteil der Staatsanwaltschaft Stendal März 2017. Hetze gegen LGBT wurde gebilligt. Als Meinungsäußerung. Nicht weiter verfolgt. Warum tut der Staat nichts. Das Bild von Ulrike Meinhoff, 1964. Ich liebe sie. Wunderschön. Intelligent. Sie war gegen Wehrpflicht. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft in Deutschland. Sie war gegen Atomkraft. Es kam Fukushima. Sie war für die Wiedervereinigung. Deutschland wurde wiedervereinigt. Sie war gegen Krieg. Wir führen Krieg wie nie zuvor. Sie war gegen den Raubtierkapitalismus. Der Kapitalismus und das ständige Wachstum kennt keine Menschlichkeit mehr. Ich liebe sie. SIe ist zerbrochen. Hat sich gegen den Staat gestellt. Ihre Intellektualität gegen Gewalt getauscht. Ich schließe die Augen. Das Zimmer fährt. Wann hatte ich Mirabell getroffen? Ich kann es nicht mehr rekonstruieren. Wieviel Tag war es her? Ich öffne die Augen wieder. Schaue in die Lampe. Das Zimmer steht wieder. Meine Schädeldecke zerplatzt. Mein Kopf explodiert. Keine Überlebenschance. Das Bewusstsein darüber zu haben, keine Überlebenschance zu haben. Soll sie noch einen Brief schreiben. Wie Kolesnikow in der letzten Luftblase der Kursk?
12. August 2000 15:45
Hier ist es zu dunkel, um zu schreiben,
aber ich versuche es durch Fühlen.
Es scheint keine Chance zu geben, 10–20 Prozent.
Hoffentlich
liest das jemand.
Hier ist eine Liste des Personals der Sektionen,
die in der neunten [Sektion] sind,
und versuchen werden, rauszukommen.

Grüße an alle,
nicht verzweifeln.
Kolesnikow

Marleen wird agressiv. Ob es Ulrike auch so ging? Ihre Ohnmacht sie agressiv machte? In den 50iger und60iger Jahren, von gehirngewaschenen Nazis umzingelt. Entnazifizierung? Überall waren sie noch. Die Verteiler der rosa Winkel. Nicht nur seelische Gewalt, sondern körperliche, ermordet, weil sie Menschen liebten. Geht es noch perfider? Ulrike, ihr Bild, 1964. Es ist immer bei mir, Auch hier steht es. Auf meinem Nachttisch. Warum hat man sie getötet? Lange bevor ihr Herz den letzten Schlag tat? Völliges Scheitern. Bewusstsein zu haben, darüber, dass keine Überlebenschance besteht. Das Rückenmark ins Gehirn gepresst. Das verstrichene Leben ist nur noch mechanisch rekonstruierbar. Weiße Folter. Isolationshaft. Kein Tageslicht. Schalldicht. Ich höre nur meinen Atem, meinen Herzschlag. Folter. Die Norm der Heteronormativität ist Folter. Der Hass dieser Menschen, die sich angegriffen fühlen, von Männern die sich lieben? Von Frauen die sich lieben? Warum werden diese Menschen nicht bestraft, sondern die Schwulen, die Lesben? Ja sie werden bestraft. Jeden Tag. Jede Nacht, weil es sie gibt. Nur weil es sie gibt. Die Sexologen hier im Klinikzentrum, sind sie human? Wo sind sie human? Sie sagen, ich bin ein Mann, ich habe XY-Chromosome, ich habe ein männliches Genital. Ist das human? Wissend, wie ich dabei fühle, wenn sie dies sagen? Warum werden diese Menschen nicht bestraft? Nein. Nichteinmal Hetze wird bestraft. Hetze gegen LGBT ist Meinungsfreiheit. Wo sind die Ärzte, die nach ihrem Ärztegelöbnis handeln? Nach der Genfer Deklaration des Weltärztebundes? Warum haben sie ihren Eid geschworen. Nur eine Farce?
„Bei meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand gelobe ich feierlich:
mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.
Ich werde meinen Lehrern die schuldige Achtung und Dankbarkeit erweisen. Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben.
Die Gesundheit meines Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.
Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod des Patienten hinaus wahren. Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärztlichen Berufes aufrechterhalten.
Meine Kolleginnen und Kollegen sollen meine Schwestern und Brüder sein.
Ich werde mich in meinen ärztlichen Pflichten meinem Patienten gegenüber nicht beeinflussen lassen durch Alter, Krankheit oder Behinderung, Konfession, ethnische Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politische Zugehörigkeit, Rasse, sexuelle Orien­tierung oder soziale Stellung.
Ich werde jedem Menschenleben von seinem Beginn an Ehrfurcht entgegenbringen und selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden.
Dies alles verspreche ich feierlich und frei auf meine Ehre.“
Menschlichkeit. Zweimal kommt dieses Wort im Ärztegelöbnis vor. Sind Gutachter, die Frauen mit männlichem Genital als Männer bezeichnen menschlich? Ulrike. Ich liebe sie. Wenn ich es laut sage, werde ich dafür beschimpft. Sie wird heute noch Terrorfotze genannt. Sind Menschen Menschen, wenn sie einen Menschen, der sich für eine bessere Welt, mit den falschen Mitteln eingesetzt hat, so bezeichnen? Sind sie nicht gewalttätig? Nein, das ist ja Meinungsfreiheit.
Das Zimmer fährt wieder, ich habe meine Augen geschlossen. Ulrikes Bild kreist um meinem Kopf. Sie ist immer bei mir. Ich liebe sie.

„Ich halte die Straße keineswegs für ein ganz besonders geeignetes Mittel seine Meinung bekannt zu machen.
Wenn einem aber nichts anderes übrig bleibt, wenn man also nicht im Fernsehen sitzt, und wenigstens ein - oder zweimal in der Woche, ein oder zwei Stunden lang, genau sagen kann, was man zu sagen hat, wenn man nicht über die Millionen Auflagen der Springer Zeitung und Illustrierten verfügt, wenn man dann, wenn man öffentlich diskutieren will, auf Raumverbote stößt, und auf Versammlungsverbote, und wenn man demonstrieren will, auf Demonstrationsverbote, obwohl es sich da ja schon um die Straße handelt, aber wir wissen ja, dass der bevorstehende Vietnamkongress bereits mit solchen Verboten zu rechnen hat, da bin ich allerdings der Ansicht, dass es außerordentlich demokratisch ist, wenn es Leute gibt, die trotzt all dieser Verbote, die einzige Öffentlichkeit, die dann für sie bleibt, nämlich die der Straße, benutzen und davon öffentlich Gebrauch machen.“ sagte Ulrike Meinhof in einem Interview 1968 gegenüber dem Sender Freies Berlin.

Ja - die Stimme erheben ist wichtig, im Juni 1969 standen Tausende Homosexuelle auf, rebellierten auf der Straße, gegen die Unterdrückung und Gewalt gegen sie. Die Stonewall Riots in NewYork legten den Grundstein für die CSD's. Wer Menschen unterdrückt, muss sich nicht wundern, wenn sie mit Gewalt die Stimme erheben. Auch das Hambacher Fest 1832 hatte keine Genehmigung. Die Versammlung war illegal. Meine liebste Ulrike. Ich liebe Dich. Hörst Du mich? Warum ist die Verkäuferin so wichtig für mich, die mich schlecht behandelt?`Könnte sie mir nicht egal sein - sie ist einfach eine Frau, die ich gar nicht kenne, sie ist mir fremd. Was geht sie mich an? Nein - sie verletzt nicht mich. Sie verletzt alle Frauen mit männlichem Genital. Das ist es, was mich schmerzt, nicht mein Schicksal. Ich spüre diesen Hass, diesen Hass gegen uns alle. Ulrike hat ihn auch gespürt. Sie war von Nazis umzingelt. Sie trieben sie in die Verzweiflung. Ulrike war ein Opfer ihrer Zeit. Hätte sie nicht 20ig Jahre später leben können? Sie wäre zu Ehre und Ruhm gekommen. So hat sich ihr Frust in Aggression entladen. Ulrike hörst Du mich? Ich fühle wie Du. Ich bin mitten in der Politik, obwohl ich nicht politisch sein will - bin ich es, sobald ich einen Rock anziehe. Sobald ich das tue, bin ich ein perverser Grünlinksversiffter wie die Rechtspopulisten uns nennen. Ja es fing schon zu Zeiten Jasmin's wieder an. Mit der Hetze. Und es ist bis heute nicht besser geworden.

„Ich weiß gar nicht, warum sie so hysterisch darauf reagieren.“
sagte sie zu dem ersten Vorsitzenden Richter des 2. Strafsenats des Oberlandesgericht Stuttgart, Theodor Prinzing am 41. Verhandlungstag, am 28.10.1975, der ihre Ausführungen störte und sie mehrmals unterbrach. Am 174. Verhandlungstag, wurde Prinzing im Januar 1977 nach 85 Befangenheitsanträgen ausgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war Ulrike bereits tot. Sie starb in ihrer Zelle am 9. Mail 1976, angeblich hat sie sich mit ihrem Handtuch erhängt. Ulrike hörst Du mich? Ich liebe Dich. Ich hasse die Verkäuferin, die nichtmal auf Wiedersehen sagte. Als ich sie darauf hinwies, keifte sie mich an, was mir einfiele, was ich mir einbilden würde, was ich für ein Dahergelaufener wäre. Ich sage ihr: „Ich weiß gar nicht, warum sie so hysterisch darauf reagieren.“, sie keift weiter und ich sage:
„Ich weiß gar nicht, warum sie so hysterisch darauf reagieren.“
„Ich weiß gar nicht, warum sie so hysterisch darauf reagieren.“
„Ich weiß gar nicht, warum sie so hysterisch darauf reagieren.“
„Ich weiß gar nicht, warum sie so hysterisch darauf reagieren.“

Dann dreht sich wieder alles.


Bild

"The Arab Guard""
aprox. 1890
Georges Rochegrosse
Public Domain



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