1.2.60 Prachtvolle Aussichten

Antworten
Benutzeravatar
JasminRheinhessen
Beiträge: 619
Registriert: 11 Sep 2014, 19:18
Wohnort: Würzburg

1.2.60 Prachtvolle Aussichten

Beitrag von JasminRheinhessen » 05 Mär 2017, 20:37

Carol wußte, dass sie jetzt weiter handeln musste.
Ja, Jasmin, schon Anfang des 21. Jahrhunderts, sie hatte es richtig gemacht.

Sie spürte jetzt, dass Jasmin es war, die die Gefühlswelt aller Beteiligten richtig dargestellt hatte, sogar eine eigene Sprache hatte sie entwickelt. Für ihre Bemühungen aber scharfe Kritik bekommen. Ihr Buch "Das unsichtbare Geschlecht", wurde ignoriert,
sie selbst als psychisch verwirrt dargestellt.

Ihre Stimme war anders wie sonst, viel Carol auf, als sie den Sprachcomputer nutze, für den fünften Aufsatz, er soll gleich veröffentlicht werden, und ja - diesmal wird Carol ihren richtigen Namen daruntersetzen:

Frauen und Männer...aber auch vielen, die sie verstehen wollen, fällt es immer noch schwer das Trans-Label aus dem Kopf zu bekommen,
was nur dazu dient, das Hebammengeschlecht zu bestätigen.
Heute klingt diese Begrifflichkeit zwar veraltet, wird aber immer noch verwendet.
Weil immer noch das alte genitale Geschlechterparadigma gültig ist, schreien viel zu wenige auf, wenn sie Begriffe wie transsexuell hören.
Die nichts anderes meinen, als "Mann", der sich "wünscht" eine Frau zu sein. Aber keine Frau im biologischen Sinne wäre.

In dem Moment, als die LGBT-Community es geschafft hatte, dass das Wort Geschlechtsumwandlung durch Geschlechtsangleichung,
womit Genitalangleichung gemeint ist, ersetzt wurde, hätte sofort der Begriff Transsexualität auch fallen müssen.
Jetzt haben wir die Altlasten mit dem Begriff "Transgender", der auf der sozialen Ebene bleibt, fernab jeder Biologie.

Das gehört zum Masterplan der Fremdbestimmung, das sind die Leute die Gordon um sich schart. Genitalrassistische Sexologen.

Die einzige Lösung ist, in der eigenen Verständnis-Welt zu bleiben. Der Welt, in der Genitalien für das wahre Geschlecht nur
eine untergeordnete Rolle spielen. Nur für die Reproduktion. Nicht aber für das, was uns in unserer Gefühlswelt leitet.
Gehirnbiologisch sind wir das, was wir von uns sagen. Wofür wir kämpfen, dass wir verstanden werden.
Sprichst Du Menschen, die sich über Genitalien definieren, ab, dass Genitalien Geschlechter definieren,
schlägt Dir aus dieser Richtung der Hass entgegen.

Du sagst etwas, was diese Menschen nicht hören wollen - der Sokrates-Effekt.

Wenn man Menschen genau das ins Gesicht sagt, was sie erfolgreich verdrängt haben, entsteht ein Problem:
Die Wahrheit wird unangenehm.

Die Verdrängung war den Menschen lieber, sie waren in Harmonie. Wird diese aufgebrochen, müssen sie sich neu harmonisieren,
müssen wieder Harmonisierungsarbeit leisten, um an den gleichen Punkt zu kommen, wo sie bereits waren.
Dass ihre Wahrnehmung die Wahrheit verzerrt hat, spielt für sie dabei keine Rolle.

Für viele ist die Erde lieber dann eine Scheibe, wenn sie in ihrer Welt glücklich sind, und eine andere Welt ihnen Probleme machen würde,
z.B. die Angst, dann auf der anderen Seite der Erde hinunterfallen zu können.

Menschen, die Angst haben, ihr Geschlecht auch zuzulassen, das von ihrem Genital abweicht, bestehen darauf,
dass sie nur das Geschlecht sind, dass ihr Genital zeigt. Es ist absolut wichtig für sie.

Sonst würden sie in ein Loch fallen.

Autotransphobie.

Das, wovor sie Angst haben, würde ja dann möglich sein, sie müssten sich ja ständig rechtfertigen. Dass sie wirklich ein Mann sind,
dass sie nicht schwul wären, in ihrer genitalen Betrachtungsweise.

Sie müssen hundertprozentig sicher sein, dass alle sie als das sehen, was ihr Genital zeigt.

Desshalb müssen andere, auch das sein, was ihr Genital zeigt.

Dieses Paradigma darf nicht ins Wanken geraten.

Es schützt sie vor der Fremdbestimmung, "Zwischen" zu sein, oder sogar das Geschlecht zu haben, das ihr Genital nicht zeigt.
Das andere Geschlecht.

Jeder Mensch, der Menschen aus ihrer Scheinwahrnehmung und Harmonisierung wirft, wird zum Aggressor.

Jemand der "meine heile Welt" zerstört, kaputtmacht.

Sokrates musste den Giftbecher trinken, er war als Mensch nicht mehr tolerierbar für diejenigen, die er beim Verdrängen störte.
Ein Aufwiegler für die Wahrheit, für das Überdenken, das Nachdenken, dass aber unerwünscht war von denjenigen,
die sich lieber derjenigen "Wahrheiten" hingaben, die ihnen nützlicher war.

Oft ist Dummheit nützlich, sonst gäbe es keine Alkoholiker, ein Rauschzustand kann helfen, die Wahrnehmung einzuschränken,
man muss sich nicht mehr den Kopf für Lösungen zerbrechen. Sehr angenehm. Selig sind die Bekloppten,
denn sie brauchen keinen Hammer mehr, aber eben das Skalpell, um die Wahrheit, abzuschneiden, um Intersexuelle zu zerstümmeln.

Die Wahrheit zu verkünden, oder Dinge auf einer Weise darzustellen, dass das Weltbild eines Menschen, der verdrängt hat, zerbricht,
und dass er dann aus rein logischen Gründen, sein neues Weltbild wieder zusammenbauen muss, ist eine sehr undankbare Aufgabe.

Nicht umsonst wurden die Überbringer einer schlechten Nachricht, die gleichbedeutend ist mit einer Wahrheit für einen Menschen,
der diese verdrängt hat, dafür bestraft. Sie waren ja schuld, dass ihre Harmonie gestört wird.
Vielleicht war gerade ein angehmes Abendessen im Gange, und niemand konnte nun sein wunderbar zubereitetes Essen geniessen.
Ein Affront. Das grenzt schon an Körperverletzung. Das muss bestraft werden. Unbedingt!

Wir haben Menschen, die sich erfolgreich selbst belügen, und sich damit dann sehr wohl fühlen. Ist ja nicht verboten.
Jetzt kommt jemand daher, und sagt, dass es so oder so ist, die Lüge wird aufgedeckt. Die Verdrängung analysiert,
Kausalitäten skizzieren den Beweis. Das ist gar nicht gut. Man wird mit Schimpf und Schande aus dem Raum gejagt.
Das Steak, das Schnitzel oder das Omelett, belegt mit Pilzen und frischem Gemüse hat gerade so gut geschmeckt,
und nun ist der Abend unter dem Vorzeichen dieser "unangenehmeren" Wahrheit. Das geht gar nicht.

Die Menschen werden aber gebraucht, die neue Ansichten darlegen, auch wenn diese nicht gern gehört werden,
evt. sind diese Menschen in gewisser Weise Märtyrer_innen. Vielleicht nützt es ihnen, wenn sie devot sind,
und die Schläge auf den Hintern gut tun.

Und ja, es ist eine Bewältigungsstrategie für diejenigen, die es auf diesem Wege schaffen,
etwas anzunehmen, keine Zwangsmissionierung für die, die das alles nicht hören wollen.
Das ist ein guter Ansatz. Kommerzialität? Kann man mit solchen Thesen ebenfalls vergessen.
Es muss ein rein intellektueller, ideeler Wert sein, der mit solchen Thesen verfolgt werden will, nur das ist die Motivation.
Das klingt nach Authentizität. Das klingt nach Wahrheit.

Ja - es ist interessant, und wenn nur ein Mensch diese Zeilen liest, und daraus Kraft schöpft, keinen Suizid zu begehen,
hat sich jedes "Martyrium" gelohnt. Was sind da ein paar Schläge mit der flachen Hand auf den Hintern. Ein Nichts.

Haltet durch.

Wir treffen uns in unserer Welt.

Lasst die anderen draußen. Vor allem die Genitalisten.

In Liebe
Carol Rose

Carol drückte den Button. "Nachricht versendet", meldete das System.

Carol spürte wie müde sie war, nein - nicht von der Nacht, in der sie kaum geschlafen hatte. Es war eine Müdigkeit,
die durch die Gedanken entsteht, gegen eine Wand zu reden. Dabei zu spüren und zu wissen, dass es nur eine Wand ist.
Egal. Dann spreche ich zu denen, die mich verstehen. Es ist wichtig, dass diejenigen die diskriminiert und fremdbestimmt werden wissen,
dass ich zu ihnen gehöre.

Carol ging in ihre Schlafecke, schaut in den Spiegel. Dann fing sie an, ihr Gesicht zu rasieren, fein säuberlich, alles, jedes Härchen.
Sie hatte ihre Schminksachen auch hier. Viel zu selten, hatte sie sich die Freude gemacht, Carol zum Leben zu erwecken.
Sie hieß damals ja noch nicht Carol, aber es gab sie schon. Schon seit jungen Jahren. Auch die Perücke. Sie war wunderschön.
Eine halblange, schwarzhaarige Frisur. Dazu das Kleid, das hatte sie schon lange nicht mehr probiert, es passt noch.
Die Pumps. Auch in schwarz, passend zum Kleid. Eine Damenuhr, Halskettchen, Halstuch, damit der Kehlkopf verdeckt wird.

Ja - hier ist mein Ruhepunkt. Hier fühle ich mich in Harmonie. Ja, es war schrecklich Barton zu spielen. Die Verdrängungsarbeit
hätte mich beinahe zerbrochen. Jetzt muss ich auch verdrängen. Aber viel weniger. Es ist kein Vergleich. Ich muss verdrängen,
dass mein Körper nicht ganz so ist, wie ich ihn mir wünschen würde, aber nun sehen mich die Menschen zumindest, wie ich fühle.
Das ist ein großer Unterschied. Und die, die mich desshalb hassen, muss ich lernen zu ignorieren. Die Gordon's, die Braunstein's.
Mein großer Kitzler ist nicht das Problem, wie für viele, das ist mein Glück, aber vieles gefällt mir nicht, vor allem fast kein Busen,
und zu wenig Rundungen. Wie Chloe wird Carol nie aussehen können, das zu verdrängen, ist schwer, aber einfacher,
noch länger als Barton herumzulaufen, und so zu tun, als wäre Carol ein Mann.

Als Carol im Bett lag, in ihrem Outfit, dass sie schon sicher zwei Jahre nicht mehr probiert hatte, fühlte sie sich wohl.
Ja, es war wichtig, der Umwelt über dieses Outfit mitzuteilen: "Ich bin kein Mann".
Einen Moment dachte sie, dass sie nun als "Transmensch" gelesen werden würde. Ja, es fühlt sich an wie ein Alien.
Egal. Es ist mir lieber, von Ignoranten als Alien bezeichnet zu werden, als so zu tun, als wäre ich einer von denen,
die Menschen als Aliens bezeichnen. Lieber leiden, aber dazugehören, dazugehören, zu denen, die ihre Wahrheit leben.

Nicht die Spießerwelt mehr, nicht die Heteronormativität mehr, nicht die Genitalisten mehr, die Ignoranten und Genitalfaschisten,
niemand von diesen mehr, möchte ich um Anerkennung anwinseln.

Ich werde sie ignorieren. Mein Leben gehört dieser Welt. Der wirklichen Welt.
Schon verteilte sie wieder etwas Hormoncreme auf ihren Unterarmen. Bevor diese eingezogen war, schlief sie ein,
erschöpft vom Nachdenken, vom Artikelschreiben, vom Nachdenken, was andere über sie dachten.
Erschöpft von der Bemühung, dass es ihr völlig egal wird, was Menschen, die nicht zu ihrer Welt gehören, von ihr denken.

Carol. Du bist eine Frau. Eine Frau. Mein Mädchen. Mein Carolmädchen.

Dann schlief sie ein. Aber ihre Gedanken kreisten und fanden keine Ruhe.

Abenddämmerung, alle schauten sich schweigsam an, niemand sagte ein Wort.
Der diensthabende Arzt griff nach dem Skalpell, die Ärztin hatte alles desinfiziert.

Nein! Nein! Nein!
Lasst das Kind in Ruhe! Lasst es! Das ist nicht euer Körper! Ihr Schweine!

Ein paar Zimmer weiter feierten die anderen Mediziner den Geburtstag eines Kollegen.
Blumengeschmückte Tische, Bilder von Ärzten an den Wänden, die mit Preisen, Auszeichnungen und Medaillen geehrt wurden.
Das Zimmer war nobel, sogar mit teuren Möbeln versehen, perfekt ventiliert, und lichtduchflutet.
Ja es war ein gesellschaftliches Ereignis, und es war umso gemütlicher, so nahe an einem einflussreichen Arzt,
den erlesenen Kaffee trinken zu dürfen. Welche Behaglichkeit die gedimmten Lampen zauberten.
Man zeigt wer man ist, wer da ist. Die Finanzwelt, auch einige Mätressen waren zugegen, als Sekretärinnen getarnt.

Nein! Nein! Nein!
Lasst das Kind in Ruhe! Lasst es! Das ist nicht euer Körper! Ihr Schweine!

Das Büffet war köstlich, kleine Spezialitäten und vor allem der Kuchen, von einem befreundeten Konditor,
das Essen war überhaupt das Wichtigste an diesem Abend im Estradensalon des Klinikzentrums,
oder waren es die Brüste der Mätressen, die aus ihren Dekollete's quollen? Oder die Geldscheine,
die meist unter den Deckchen herumgereicht wurden, unter den Trinkgläsern auf den silbernen Tablett's?

Nein! Nein! Nein!
Lasst das Kind in Ruhe! Lasst es! Das ist nicht euer Körper! Ihr Schweine!

"Seychellen? Ja, wunderschön, schon im August geplant. Dieses Jahr möchte ich den Herbsturlaub aber auf Mauritius verbringen".

"Als Single? Ich würde Sie gerne begleiten. Sie brauchen doch sicher eine Sekretärin für ihre Korrespondenz aus dem Urlaubsort,
oder möchten sie diese Arbeit dann selbst erledigen?"

"Eine Schreibstube habe ich dann nicht zur Verfügung, aber Sie können sich in meinem Hotelzimmer einquartieren,
dann läuft die Arbeit besser von der Hand."

"Und ja, und wer einmal kam, und diese prächtige Suite genossen hat, wird immer wieder kommen, morgen, übermorgen, immer wieder."

Ihr habt es getan. Ihr Schweine. Ihr habt ein Leben zerstört.

"Ja das Zimmer, hat eine wundervolle Aussicht. Ich freue mich auf unserer Zusammenarbeit."


Bild

"The Splendors and Miseries of Courtesans"
1897
Gaston Bussière
Bildlizenz: Public Domain


weiter mit Kap. 1.2.61
http://www.freeyourgender.de/forum/view ... 555&t=1261



50ff663be7e947c0b41296557bbdb7c4



Antworten

Zurück zu „Handlung - Story“