1.1.4 Outing: Wenn "rauskommt", dass Du...

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Freeyourgender
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1.1.4 Outing: Wenn "rauskommt", dass Du...

Beitrag von Freeyourgender » 28 Nov 2016, 11:54

Gegenüber homophoben* Menschen entsteht ein Outing*, allein über die Bezeichnung.
Ein Beispiel für ein Outing:
Angenommen, Du bist in einer Gruppe und ihr geht in eine Pizzeria zum Essen,
verlebt einen harmonischen Abend, verabschiedet euch und es gab kein Grund,
warum Du Dich erklären müsstest.
Doch am nächsten Tag erzählt einer aus der Gruppe, einem anderen in der Gruppe,
dass Du homosexuell bist. Dieses Bekanntgeben Deiner sexuellen "Eigenschaft" nennt man Outing.
Du wirst nun, wenn dieser Mensch eine negative Einstellung zu Homosexuellen hat,
erleben, dass sich dieser nun ein anderes Bild von Dir gemacht hat, Dich meidet, oder Dich
in irgendeiner Form anders behandelt, als er es getan hätte, wäre dieses Outing nicht geschehen.
Natürlich kann es auch sein, dass dieser Mensch, dem zugetragen wird, dass Du homosexuell bist,
nichts gegen Homosexuelle hat, aber das ist nicht sicher.

Wenn wir "verpartnert" oder "Eingetragene Lebenspartnerschaft" als Sprache für "Ehe*" verwenden,
brauchen wir diesen Menschen in der Gruppe nicht mehr, der diese Eigenschaft "verrät".
Das Outing geschieht immer und ständig über die Sprache, für jeden, der Einsicht auf dieses Formular
hat, in der diese Angabe steht.

Menschen würden vielleicht das homosexuelle Paar niemals zusammen kennenlernen,
vielleicht steht die Angabe "verpartnert" in einer Bewerbung für einen Arbeitsplatz,
dessen homophober Arbeitgeber oder homophober Personalchef nie beide Partner zu Gesicht bekommen hätte.

Alle Menschen, die es begrüßen, dass diese Paare ihre Verbindung nicht "Ehe" nennen dürfen,
erfahren so sofort, dass diese beiden Menschen für sie abwertungswürdig sind,
was auch dann leider oft geschieht.
Ähnliche Effekte kennen wir bei Eigenschaftsangaben der Ethnie oder der Religion.

Menschen, die also abwerten wollen, können so, ohne diese Menschen jemals gesehen zu haben,
ihre Entscheidung aufgrund ihrer Abneigung gemäß fällen.
Es entsteht über die "andere Bezeichnung" eine Stigmatisierung über die Sprache.
"Kleine Dinger, "Witzbrötchen", sind eben keine Brötchen.

Heteronormativität spielt eine zentrale Rolle in unserer Gesellschaft,
und Du wirst in diesem Buch immer wieder auf diesen Begriff stoßen,
wenn beschrieben wird, dass Menschen nicht dieser Vereinbarung, diesem Konstrukt*, entsprechen.
Eine Konstruktion ist eine Maschine, die in bestimmter Weise funktionieren soll.
Menschen, die sich diese Konstruktion ausgedacht haben, wollen eine bestimmte Gesellschaft* schaffen.
Diese Maschine, die diese Gesellschaft in gewisser Weise Regeln unterwerfen soll,
nenne ich: Das Heteronormativitätskonstrukt.
Ein wichtiges Bauteil dieser Maschine ist die Eigenschaft "hetero".


Résumé der Artikel 1.1.1 bis 1.1.4:

Du hast nun gelernt,
wie mit Mitteln der Sprache menschliche Eigenschaften abgewertet werden können,
dass bestimmte erwartete Eigenschaften ein großes Ganzes ergeben sollen:
Eine erwartete Norm.
Du hast ein Mittel kennengelernt, wie Menschen manipuliert werden sollen, diese Norm zu erfüllen.
Ãœber die Sprache.
Reaktion dann vieler Menschen:
Sie möchten vermeiden, nicht abgewertet zu werden.

Vorschau auf Artikel 1.2:
Im nächsten Kapitel wirst Du Einblicke darin bekommen,
welche Methoden neben der Sprache noch eingesetzt werden,
damit Menschen die erwartete Norm der Heteronormativität erfüllen.



Wortindex* für diesen Artikel:

Outing > Erklärung auf Wikipedia unter Outing:
https://de.wikipedia.org/wiki/Outing

Ehe > Erklärung auf Wikipedia unter Ehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ehe

Konstrukt > Erklärung auf Wikipedia unter Konstrukt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Konstrukt

Gesellschaft > Erklärung auf Wikipedia unter Gesellschaft (Soziologie):
https://de.wikipedia.org/wiki/Gesellschaft_(Soziologie)


weiter mit Artikel 1.2.1
http://www.freeyourgender.de/forum/viewtopic.php?t=1104



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