CXXX - Das AFD-Paradoxon in der Familien- und Genderpolitik

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JasminRheinhessen
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CXXX - Das AFD-Paradoxon in der Familien- und Genderpolitik

Beitrag von JasminRheinhessen » 09 Sep 2016, 13:30

Die AFD kolportiert die Meinung,
dass ein heterogener Bildungsplan,
der alle sexuelle Identitäten berücksichtigt,
den bisherigen gesellschaftlichen Status-Quo in Sachen Sexualität in der Gesellschaft,
der ein heteronormativer ist, untergräbt.

Genau das Gegenteil ist der Fall:
Die Heteronormativität wird nicht zersetzt mit dem Ziel diese aufzuheben,
sondern es werden weitere existierende Emotionen, Lebensmodelle und sexuelle Identitäten dieser nebenangesetellt.
Laissez-faire liebe AFD, soll nicht nur für die Wirtschaft gelten,
was sich in der EU-Brüssel-Kritik der AFD niederschlägt,
nein auch in der Familienpolitik sollte diese Freiheit keine Frage sein.
Oder wie schon Friedrich der Große (Friedrich II) sagte,
der ja den konservativen Adel vertrat:
"Wie kommen wir Menschen dazu, große Pläne auszubrüten, die so viel Blut kosten?
Wir wollen leben und leben lassen!"
Und mit Blut ist hier nichts übertrieben:
Normative Konstrukte befördern die Legitimation homophob und transpob und somit gewalttätig zu handeln,
besonders in der Gruppe von Männern, in der "Mann" sich beweisen will,
und dadurch dann auch kann, wenn "Meinungen" bereits in der Schule gefestigt werden,
welche Art zu leben (und zu fühlen) einer Rechtfertigung bedarf.

Was die Gesellschaft als "normal" empfindet oder nicht, wird ja nicht berührt.
Dies steht jedem frei. Aber Freiheit ist durch eine Tabuisierung bestimmter Themen
bereits nicht mehr gegeben.
Allein schon eine Erweiterung, Ergänzung, Benennung und somit Enttabuisierung wird bereits
als Angriff gewertet.
Es soll nicht mal darüber gesprochen werden dürfen im Unterricht.
Das überhaupt von Sex gesprochen werden durfte, darum musste in den 70igern gekämpft werden.
Sexualkundeunterricht nannte man dies, und er kam nicht weiter als über die Missionarsstellung hinaus,
die von Lehrer_innen verschämt anhand einer Illustrierung mit gestrichelten Linien gezeigt wurde.

Eine Enttabusierung von Themen muss erfolgen, und zwar in dem Maße,
dass Schüler_innen sich nicht automatisch durch das Nichtansprechen dieser Themen als "unnormal" fühlen müssen.

Ob etwas normal und unnormal ist oder nicht, entscheidet das Individuum,
das kann es aber dann nicht mehr,
denn es wird durch Vorselektion von Themen in der Schule,
durch Gewichtungen auf heteronormative Identitäten bereits hier
eine Vorauswahl getroffen, und damit eine Bewertung vorgenommen wird, was "normal" sein darf.

Das dies gegen jede Selbstbestimmung der sexuellen Identität ist,
liegt auf der Hand.

Die AFD macht hier genau das,
was sie bei anderen Themen den "Einheitsparteien" Union/SPD/Grüne/FDP vorwirft:
Sie seien zu wenig demokratisch und übten
einen gewissen Despotismus aus,
da diese sogenannten Einheitsparteien hinter verschlossenen Türen zusammenhalten
und den Bürger nicht mehr wahrnehmen würden.
Hier schreit die AFD dann laut auf:
Nein - wir wollen Mitsprache, wir wollen Teilhabe, wir wollen eine pluralistische Politik, keine Lobbyisierung.

Mitsprache im Bereich sexuelle Identitäten bedeutet aber, dass ich wahrgenommen werde,
und das muss schon in der Schule beginnen.
Dass ich nicht fremdbestimmt werde,
dass mein Geschlecht verstanden wird.

Zwitter war noch in den 70iger Jahren ein Schimpfwort.
Heute bekommen transphobe Jungs Pluspunkte in ihrer Gruppe, in ihrer "Gang",
wenn sie am Wochenende wieder mal "Transen geklatscht" haben.
HipHop und GangsterRap-Songtexte subsumieren dieses Verhalten als "männlich".
Da nützt es auch nichts, dass CD-Produktionen wie "Sonny Black" auf den Index gesetzt werden.
Nein - wenn so etwas produziert werden kann, auf die sichere Annahme hin,
dass es im "Fankreis" bejubelt wird, dann haben wir bereits eine Gesellschaft die unterdrückt,
gespalten und separiert wird.
Das Gegenteil von Freiheit und Selbstbestimmung.

Was wollte nochmal die AFD ?
Mitsprache, mehr Demokratie, mehr politische Freiheit.

Politische Freiheit ist Freiheit des Individuums, und dazu gehört auch die sexuelle Identität.
Eine Einschränkung derselben ist ein Paradoxon in der AFD-Politik.

Die Dublette dieses Paradoxon sehen wir in der Frauenpolitik der AFD:
Haben wir es im westlich-demokratischen Deutschland seit den 50iger Jahren
mit einem Frauenkampf zu tun, der sich Stück für Stück in einen Bereich der Männer gekämpft hat,
in einen Bereich, der gleiche Rechte garantieren soll,
wo wir immer noch nicht in Gänze angekommen sind,
proklamiert die AFD heute im Jahr 2016,
dass "die Frauen",
nicht benachteiligt werden dürfen,
wenn sie sich für das Zuhausebleiben und Kindererziehung entscheiden.

Nein - sie werden nicht benachteiligt,
aber auch nicht bevorteilt:
Eine Gleichberechtigung ist dann gegeben,
wenn eine Frau die gleichen Probleme hat in der Gesellschaft, wie ein Mann.
Entweder wir "sperren" die Frau wieder in die Rolle der 50iger Jahre, was einen Einschnitt in ihre Selbstbestimmung darstellen würde, setzen gewisse Erwartungen,
oder wir lassen sie "frei" in ihrer Entscheidung.
Freiheit heisst: Dann muss die Frau sich den gleichen Problemen stellen,
wie sie ein Mann in der Gesellschaft hat.

Familienpolitik muss die Familie sehen, und diese fördern, egal ob Regenbogenfamilie oder Heteronormative.
Es geht hier nicht um Frauen und Männer, sondern um Menschen, die es bewerkstelligen müssen, Beruf und Erziehung auch finanziell zu schultern.
Hier kann der Staat regulieren und unterstüzen.
Dies muss aber unabhängig des Geschlechtes geschehen,
sonst opfern wir wieder die Geichberechtigung.

Entweder wir schalten die Geschlechter in finanzieller Unterstützung
durch den Staat innerhalb der Gesellschaft gleich,
oder wir favorisieren ein Geschlecht dann, wenn es eine bestimmte Rolle besetzt.

Streng genommen müssten die Männer, die Maskulinisten bei der Familienpolitik der AfD aufschreien:
"Wir wollen auch Unterstützung, wenn wir uns für Haus und Kinder entscheiden".
Daher, wenn wir geschlechtsunabhängig denken wollen,
und das ist in ökonomischen Fragen angezeigt,
denn in einer neoliberalen Gesellschaft spielt Geld eine der Hauptrolllen,
ist der "feminine Feminismus" einer Birgit Kelle, die Frauen durch den Beruf
in Bezug auf Kindererziehung benachteiligt sieht, obsolet.
Denn umsomehr ich Frauen hier vermeintlich von der "Neoliberalität schützen" wollte,
desto mehr muss ich sie von dieser ausschließen.

Und weiter: Wenn ich Frauen finanziell unterstütze,
durch die Legitimation eines "femininen Feminismus",
muss ich in gleichem Maße Männer benachteiligen.

Die Heteronormativität tut sich aber bekanntlich schwer, Frauen und Männerrollen zu dekostruieren.
Wie wir in Begriffen wie "Genderwahn"(SIC!) der AFD abgebildet bekommen.

Eine Selbstbestimmung der Frau ist dann gegeben, wenn es weder eine Bevorteilung
noch Benachteilug eines bestimmten Rollenverhaltens gibt.
Wer die Kinder erzieht, der Frau oder der Mann, oder beide, oder zwei Frauen und zwei Männer,
kann gerne staatlich unterstützt werden, wenn der Staat Familienbildung subventionieren möchte.
Denn diese Frage ist keine Frage von Geschlechtern. Sondern von Menschen, die diese
Familienbildung, diese Erziehung leisten.

Durch die Hintertür favorisiert die AFD hier also bestimmte weibliche Geschlechterrollen,
indem sie Frauen lieber in der Küche sieht, bei den Kindern, hinter dem Herd.
Dieses Familienbild hatten wir bereits in den 50iger Jahren, es war das unfreie Bild der Frau.
Das Gegenteil von Selbstbestimmung.
Eine selbstbestimmte Frau wird aber nicht geschaffen, wenn ich eine Frau, die sich für den Job als "Hausfrau" entscheide, unterstütze,
sondern und hier wiederhole ich mich:
Ich muss Menschen unterstützen, die sich für den Job "Hausfrau" entscheiden,
genauso wie ich "Menschen" unterstützen muss, die arbeitslos werden,
und nicht nur Frauen oder Männer.
Eine Subventionierung, Favorisierung eines bestimmten Verhaltens einer Frau,
ist gegen die Selbstbestimmung,
denn wenn ich nicht diesen Weg gehe,
erhalte ich diese Subventionen nicht,
weil ich meine Freiheit nutze, um einen anderen Weg zu gehen,
und zwar geschlechtsabhängig verknüpft, als Frau.

Eine AFD, die also so handelt, handelt nicht im Sinne der Frauen,
die sich von diesen Rollenklischees losgelöst sehen wollen.
Hier werden Freiheit und Selbstbestimmung durch vorgezeigte Wege beschnitten.

Eine Frau bleibt eine Frau, und ein Mann ein Mann, das löst auch kein "Genderwahn"(SIC!) auf.
Was aufgelöst wird, sind lediglich manifestierte Rollenzuweisungen:
Ein Mann musste in Deutschland zur Bundeswehr. Oder er verweigerte und entschied sich für Ersatzdienst (Zivildienst).
Ja - das ist Geschichte - richtig ist nun die geschlechtsneutrale Betrachtung, einerseits und die Freiwilligkeit andererseits:
Jeder Mensch, der tauglich ist, ob Mann oder Frau, kann mittlerweile zur Bundeswehr wenn er es möchte.
Das ist Freiheit und Selbstbestimmung.
Seit 2011 haben wir diese Freiheit der freien Entscheidung der Männer und seit 2001 dürfen Frauen in die Bundeswehr eintreten.
Davon machten 2012 knapp 19 TSD Frauen Gebrauch.
Und hier gab es keine Vor- und Benachteiligung,
nur weil eine Frau eine Frau ist und ein Mann ein Mann.

Wir können uns ja entscheiden,
ob wir eine echte Liberalisierung der Geschlechter wollen,
auch in der Familienpolitik,
oder an Geschlechterrollen festhalten.
Nur dann dürften wir uns nicht wundern,
wenn wir wieder in den 50iger Jahren landen.

Ich wünsche dann viel Spass mit der Waschmittel-Werbung,
das Waschmittel wird dann sicher von einer Frau in Kittelschürze hochgehalten,
nicht von einem Mann.
Und ja - ich meine die Klementine von Ariel.
Und nein - der Persil-Mann trat nicht als "Wäscher" auf, sondern als Verkäufer in Anzug und Krawatte.
Klementine im Businesslook und den Persil-Mann in Latzhose vor der Waschmaschine,
muss nicht, aber die Option sollte möglich sein.
Das ist Freheit, Selbstbestimmung und Demokratie,
dafür tretet ihr doch ein, liebe AFD ?

Dann müsste Klementine für ihren Business-Look-Auftritt
aber durch eine schlanke Blondine ausgetauscht werden,
damit das "werbewirksam rüberkommt".
Dafür kann die AFD dann nichts, das liegt am Patriarchat.
Aber wenn ich mir das so überlege: Ohne Patriarchat könnte die konservative AFD ja nicht auskommen.
Dann sieht es doch wieder schlecht aus für Klementine:
Da muss für ihre rundliche Figur doch wieder die Kittelschürze herhalten.
Nichts mag das Patriarchat lieber, als die weiblich sexualisierte Rollenzuweisung,
als den Sexismus in der Werbung.
Das wird dann gerne als Liberalität und Freiheit verkauft.
Es lebe die Rollenzuweisung, es lebe der Kampf gegen den "Genderwahn"(SIC!).
Wir müssen ja schliesslich wissen, wer oben und wer unten ist - oder ?



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