POSTED INALLGEMEIN Du wirst diskriminiert. Ja – auch Du. Fang an darüber zu schreiben. Hier in diesem Blog.

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Carol Rose
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POSTED INALLGEMEIN Du wirst diskriminiert. Ja – auch Du. Fang an darüber zu schreiben. Hier in diesem Blog.

Beitrag von Carol Rose » 10 Mär 2021, 16:25

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Der Song „Macht kaputt was Dich kaputt macht“ von der Band „Ton Steine Scherben“ fordert auf zu Gewalt und geht es somit anarchisch an. Tatsächlich zertrümmerte der Manager dieser politischen Band in der WDR Sendung „Ende offen“, ausgestrahlt im Jahr 1971 einen Tisch mit der Axt.

Etwas softer fordert 1982 die Sängerin Gitte Hænning in ihrem Lied „Ich will alles“ zum Handeln auf. Besonders im Ohr blieben den Zeitzeugen dieser Auftritte der damals 36-jährigen die Zeilen:
„Ich will leben
Will mich geben
So wie ich bin
Und was mich kaputt macht
Nehm‘ ich nicht mehr hin“

Unterdrückung, Diskriminierung, Stigmatisierung, Tabuisierung, Ausgrenzung, Mobbing – die Ursachen dieser Effekte sind vielfältiger Art. Beschrieben in Begriffen wie Rassismus, Ableismus, Homophobie, Transphobie, Antiziganismus, Sexismus. Oft sind Menschen mehreren Unterdrückungsmechanismen ausgesetzt. Eine Frau (1), die nicht weiß ist, also zu den People of Color gerechnet wird (2), vom Sozialamt lebt (3), alleinerziehend ist (4), sich als lesbisch geoutet hat (5), sich als Ablehnungszeichen der Frauenrolle eine Glatze rasiert hat (6), sich überlegt, ob sie ihre sehr großen Brüste verkleinern lässt, weil sie ständig Reaktionen darauf erhält (7) und sich dadurch ständig auf ihren Körper reduziert fühlt. Sie ist seit Jahren zu dick, weil sie ihre Probleme durch zu viel Essen kompensiert (8)

(1) Sie wird, weil sie weiblich ist, durch patriarchal-gesellschaftliche Effekte benachteiligt. Uns sind patriarchale Effekte oft nicht bewusst, besonders, wenn wir als „Mann“ sozialisiert wurden. Ja, einer Frau fällt eben eher auf, dass der Elferrat beim Karneval nur aus Männern besteht und die Frauen als Tanzmariechen zu funktionieren haben. Diesem Selbstverständnis von patriarchalen „Gesetzmäßigkeiten“ sind wir jeden Tag ausgesetzt. Wir nehmen sie nicht mehr wahr. Absichtlich habe ich hier ein triviales Beispiel gewählt, um aufzuzeigen, das patriarchale Effekt auch bereits in harmlosen Kontexten vorhanden sind, der gesamte Bereich der Gesellschaft ist patriarchal durchsetzt.
(2) Sie erhält Anfeindungen aufgrund von Rassismus
(3) gesellschaftliche Nichtzugehörigkeit durch ökonomische Bedürftigkeit. Die Täter-Opfer Umkehr „Geh doch arbeiten, Du bist nur zu faul“ hilft die noch in Lohn und Brot Stehenden, ruhig zu schlafen.
(4) Alleinerziehende werden sehr oft von „normalen“ Familien diskriminiert, genauso wie Regenbogenfamilien
(5) alles was nicht hetero ist, wird von Menschen bekämpft, die damit ein Angriff ihres normalen Gefühlsleben verbinden
(6) alle Menschen, die nicht ihrer Geschlechterrolle entsprechend aussehen, zugewiesene Geschlechterrollenstereotype konterkarieren, werden sofort eine (patriarchalpolitische) Reaktion erfahren . Beklatscht von denen, die sich dadurch befreit fühlen, angefeindet von denen, die sich in ihrer eigenen Identität, die gewisse Stereotype als Ausdrucksmittel vereinnahmt hat, angegriffen fühlen. Entsprechend Aufsehen erregte Ornella Muti 1982 in dem Film „La ragazza di Trieste“, in dem sie eine blonde gutaussehende Verführerin spielt, um aber dann in einer Szene sich mit Glatze zu präsentieren, damit ihren Verehrern vor der Leinwand ein völlig anderes Bild von sich zu geben, die Zuschauer mit ihren eigenen Reaktionen darauf zu konfrontieren. Siehe auch Geschlechterrollen und Aussehen im Diskurs um Chonchita Wurst, denn selbst eine „Draq-Queen“ oder „Travestiefigur“ hat im Patriarchat ein bestimmtes Aussehen zu haben, Kleid und Bart zusammen sprengte dann auch diese Sonderform des Aussehens im Bereich der Kunst, die sich ein Spielfeld außerhalb patriarchaler Normen sucht.
(7) Sexismus ist nicht leicht zu erkennen, machmal sehr direkt, aber auch sehr oft nur suggestiv, unterschwellig. Du spürst es oft nur, kannst es gar nicht festmachen an den Worten und Handlungen, die dich umgeben. Dass sehr schöne Frauen eine gewisse Einsamkeit deshalb verspüren, weil sie ständig nur als Körper wahrgenommen werden, ist mittlerweile bekannt.
(8) Eine gewisse Stereotype absichtlich zu konterkarieren ist nicht immer der Auslöser von Diskriminierung, sondern auch eine bestimmte Eigenschaft NICHT zu besitzen, z.B. wenn Du sehr dick bist, nicht mehr „normal“ aussiehst. Ableismus wird wie Sexismus oft gar nicht wahrgenommen. Auch geistige Fähigkeiten in erwarteter Form nicht zu besitzen, führt oft zu einer Diskriminierung, die uns selten auffällt, weil gerade Leistung, auch geistige, in unserer Leistungsgesellschaft als Status fungiert. „Stell Dich nicht dümmer an, als du bist“. Der Satz wirkt harmlos, macht aber aus dem Menschen, der geistig auf einer anderen Ebene (noch) ist, zum Opfer und zum Schuldigen seines Zustandes.

Jeder Mensch ist meiner Meinung nach Mechanismen der Unterdrückung ausgesetzt, hier in diesem Blog wünschen wir uns, dass Du davon berichtest. Sichtbarkeit hilft auch anderen, mit ähnlichen Problemen fertig zu werden. Menschen fühlen sich dann nicht mehr alleine mit ihrem Problem. Das Gefühl zu haben, dass es Anderen auch so geht, kann Suizide verhindern, führt für den Einzelnen zu einem anderen Bewusstsein seiner Rolle in der Gesellschaft. Diese ist immens wichtig, gerade dann, wenn Du Unterdrückung erfährst. Aber Du kannst nur deine besondere gesellschaftliche Rolle in Wirkung setzen, wenn Du dich bemerkmar machst. Damit die Täter-Opfer-Umkehr, die ständig bei Diskriminierung stattfindet, outest. Die wahren Täter als Täter benennst. Und nicht etwa wie bei Homophobie und Transphobie typischerweise oft kolportiert, dass diese homophoben und transphoben Menschen sich durch Menschen, die nicht hetero sind oder sich als Variante Geschlechter beschreiben, angegriffen fühlen und als Opfer darstellen. Egal welche Unterdrückungsthemen in Deinem Leben die Hautprolle spielen, Du kannst hier darüber schreiben und anderen damit auch helfen. Oft sind es wie oben beschrieben ein ganzes Bündel an Diskriminierungserfahrungen.(>Intersektionalität).



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