Wer gegen das Patriarchat ist, wählt 2018 das Patriarchat.

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JasminRheinhessen
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Wer gegen das Patriarchat ist, wählt 2018 das Patriarchat.

Beitrag von JasminRheinhessen » 08 Jul 2018, 12:02

Dieses Essay ist eine Antwort auf den Blogartikel von Antje:
http://www.bzw-weiterdenken.de/2018/07/ ... ent-543742

Repressive Attitüde, freiheitliche Attitüde, diese Differenzierung gefällt mir.
Denn sie lässt beiden extremen Lagern Punkte, in denen sie beide Recht haben.
Unsere Zeit ist gekennzeichnet, dass rechts und links nicht mehr das Eldorado für diejenigen bilden kann, die sich gegen bestimmte Dinge aussprechen.

Feministisch, gegen Atomkraft, gegen Krieg, gegen das Patriarchat, gegen Einschränkung der Selbstbestimmung und Vormundschaft, gegen überhöhte Moral,
es war so einfach, vor etlichen Jahren, dann sagen zu können:
Ich bin links.

Aber dann passierte es, die Grünen waren plötzlich für Krieg, und unterstützen neoliberales Denken.

Und es passierte weiteres:
Linke, Grüne, ganz linke und nicht so ganz linke, Sozialdemokraten und alle, die sich nicht so rechts fühlen wie andere, begrüßen eine Integration von rechts, eine Integration des Patriarchats, der Frauenunterdrückung und des überhöht moralisch-religiösen Denkens, dem Menschenrechte untergeordnet werden.

Das linke Lager wird nun ungemütlich. Wer kann sich da noch zuhause fühlen, der vor dieser Zäsur der Integration von rechts, vor diesem Frontalangriff des Patriarchats, dass uns ins Mittelalter zurückbeamen möchte, noch links war?

Die Folge: die Spaltung. Die Spaltung der SPD, der Linken, der Grünen, und genauso die Spaltung im rechten Lager, innerhalb der CDU, auch der CSU, denen die Öffnung und Integration aus anderem Grunde nicht so zuwider ist, wie es ihre rechte Gesinnung erfordern sollte.

Für die klassischen Linken ist es zuviel Patriarchat, und sie wechseln die Seiten, für die klassischen Rechten ist es zuviel Geschrei nach Heimat- und Kulturverlust, Verlust ihrer Identität und sie wechseln die Seite ins liberalere, humanitäre Lager, nach links, ins gefühlt nicht rückwärtsgewandte Lager. Sie wollen sich um mehr Humanität bemühen und fühlen sich in ihrem rechten zuhause immer unwohler.

Unter dieser Durchmischung im Cocktailshake, ausgelöst durch die Integration von völlig anderen Kulturkreisen, leidet die Parteienlandschaft, keine Partei ist sich in diesen Fragen einig, keine Partei kann sich eine Abgrenzung in diesem Punkt mehr leisten. Außer einer. In diesem Punkt ist die AFD sich einig, und das ist ihr Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Altparteien.

Wenn Du human bist, antikapitalistisch, feministisch, sollst Du also das Patriarchat von fundamental-religiösen patriarchalen Denkmustern gut finden, damit Du human bleiben kannst, keine Grenzziehungen dulden, sonst bist Du nicht mehr human.
Sondern dann bist Du Nazi, Rassist, das wollen wir doch nicht mehr, oder doch?
Nein - es geht nicht um Rassismus und um Nationalismus, sondern um Patriarchat oder die Abschüttelung und Loslösung von diesem Machtmuster und der Ideologie, die sich Patriarchat nennt, das Frauen immer noch unterdrückt. Vor allem außerhalb Europas.
Darum geht es.
Und wenn ein Land von diesem Patriarchat 100% geprägt wurde und wird, durch seine Religion und seine Kultur, davon geprägt wurde, wie Frauen dort behandelt werden, dann bin ich nicht gegen das Land, sondern gegen dieses Patriarchat, dass ich in Europa nicht mehr haben will, denn es ist noch nicht lange her, als Europa genauso inhuman gegenüber Frauen war, diese Errungenschaft kann und darf nicht mit Füßen getreten werden, indem wir patriarchale Strukturen ignorieren und alle Kämpfe gegen diese Unterdrückung verraten und glauben, dass sich junge Männer ändern, glauben dass sich Frauen ändern, die im Patriarchat aufgehen, in voller Devotheit und Hingabe, damit aber Frauen unter Druck setzen, die frei und selbstbestimmt sein wollen.

Die Fronten sind nicht links und rechts, das hat Antje, und nicht nur sie, bereits erkannt, sie sind wie immer im Verhalten gegenüber dem Patriarchat zu finden.

Ich bin gegen das Patriarchat, und wenn ich gegen das Patriarchat von außen bin, dass uns regelrecht aufoktroyiert wird, damit die, die es uns aufoktroyieren, selbstbestimmt sein dürfen, welch kapitaler Denkfehler das doch ist, dann muss ich heute im Jahr 2018 eine Partei wählen, die das eigene Land in die 50er, in patriarchale Muster zurückführen will.
Paradoxer geht es nicht mehr.

Solange das linke Lager nicht anfängt, eines ihrer wichtigsten alten Ziele wieder aufzugreifen, und sich gegen das Patriarchat stellt, wird es für mich unglaubwürdig bleiben.
Aber sie sitzen und saßen zu lange in der Regierungsverantwortung, als dass sie nicht zu oft der Opportunität und dem Machterhalt gedient und ihre eigenen Wurzeln verraten hätten.
Die SPD hat sich bereits fast völlig zersetzt, die Linke ist gespalten und wartet auf ihre Implosion, die Grünen sind betriebsblind und rettungslos idealistisch, wie eine Betrunkene, die von ihrem Paradies träumt, und sobald der Rausch verfliegt, betrinkt sie sich wieder, wie eine Drogensüchtige, nicht vergessend, sich schützend im Hafen der Macht und der Neoliberalität zu verankern.

Im Moment siegt das Patriarchat, so oder so.

Dann müssen wir eben die Korsetts wieder rausholen,
und schnüren, das Dienstmädchen packt den Apfelkuchen in den Picknickkorb und der Knecht spannt die Pferde vor die Kutsche,
die Haare sind lang bis zum Po und die Kleider gehen bis zum Boden. Wir huldigen die Schlösser und Burgen der Mächtigen, die männlich sind, weil die Vorraussetzung für die Erbfolge ein Penis ist. Lasst uns das Patriarchat verromantisieren und die Blüten des Gänseblümchens rupfen, und das Orakel befragen, ob Er mich denn liebt und sich für mich entscheidet, wir warten auf den redlichen und gestandenen Offizier, der uns ins Glück führt, denn alleine sind wir zu nichts fähig. Nicht mal, unser Korsett so fest zu schnüren, dass es ihm gefällt.

Adorno:
"Die Forderung nach Mündigkeit, scheint in einer Demokratie selbstverständlich"

Immanuel Kant:
"Selbstverschuldet ist in dieser Unmündigkeit, wenn die Ursachen derselben nicht am Mangel des Verstandes,
sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leistung eines anderen zu bedienen.
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit"




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