„Eine neue Freundin“ François Ozon 2014

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„Eine neue Freundin“ François Ozon 2014

Beitrag von Freeyourgender » 18 Apr 2015, 14:02

„Eine neue Freundin“
Wiki:
http://de.wikipedia.org/wiki/Eine_neue_Freundin
von François Ozon
Wiki:
http://de.wikipedia.org/wiki/François_Ozon

Filmkritik von Faz.net
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/k ... 03682.html

Karin Rick (Autorin von "Venuswelle") war enttäuscht über den Film.
https://www.fischundfleisch.com/blogs/l ... -plot.html

Jasmin kann diese Enttäuschung aus dem Blickwinkel von Karin RIck nachvollziehen,
schrieb aber eine differenzierte Kritik, die FYG-spezifische Gesichtspunkte miteinbezieht,
die Kritik erschien als Antwort im Blogpost von Karin Rick auf fischundfleisch.at:

Jasmin schrieb:
Für mich ist das keine Überraschung.
Ich möchte nun etwas versuchen, was unorthodox scheinen mag,
aber es einfach ganz frech trotzdem wagen:
Eine Meinung über einen Film abzugeben, den ich nur über eine Kritik reflektiere.
Ãœber diesen Blog von Karin Rick.
Wie eine Billiardkugel bekomme ich sozusagen "nur" den indirekten Impuls ab,
den Karin an mich weitergibt, und setze diese Eindrücke weiter um.
Meine Reflektion ist also eine Weiterspiegelung der Eindrücke von Karin,
in meiner Verständiswelt übertragen.
Sicher werde ich hier interpretieren, filtern und meine Erfahrungen einfliessen lassen,
die keinen Anspruch haben, objektiv sein zu wollen.
Ganz und gar nicht, sie sollen einfach sein. Wie ein Ding, dass sich ergibt.
Und keiner weiß warum es entstanden ist.

Meine Kritik kann also auch abstrakt ohne den Film als Auslöser zu sehen,
gelesen werden.

Ich schreibe nun spontan, wie ich es immer mache,
wenn ich DIESEN Buchstaben setze, werde ich noch nicht wissen, wie der Satz zu Ende geht.
Diese Technik liebe ich, besonders in Interviews ist diese Technik lebendiger als in Schrift,
aber ich habe hier kein Interviewpartner, daher also ein Monolog.

Ich versuche mich auch möglichst kurz zu fassen, was mir immer extrem schwer fällt.

Gut, ein paar Sekunden eines Trailers habe ich gesehen, was aber bedeutungslos ist für dass,
was ich nun schreiben werde.
Für mich spielt bei den folgenden Zeilen nicht nur der Film, sondern auch die Billiardkugel
die mich wiederum anstösst, der Impuls von Karin eine Rolle.
Denn diese filtert bereits den Film vor. Bringt für mich erste Ergebnisse.
Meine Zeilen sind also auch eine Reflektion auf ihre Kritik.
So gerät meine Reflektion über den Film mit ihrer Kritik in Resonanz.

Natürlich ist die Kritik von Karin Rick nicht eindimensional zu sehen,
besonders wenn man weiß, dass Sie ein Buch geschrieben hat,
dass genau dieses Thema aus ihrer Emotionswelt aufarbeitet (>Venuswelle)

Um mich auf meine Analyse einzuschwingen, brauche ich den Regisseur,
den ich nicht kenne, ich nehme dazu diese Sequenz ab ca. Sekunde 20
https://www.youtube.com/watch?v=UcoMrZc4KiI

François hat starke weibliche Anteile -
er spricht mit den Händen, sein weibliches Gesicht verrät sehr viel für mich,
er betont dieses auch durch gepflegtes Äußeres, wie es eben auch Frauen machen würden
mit ihrem Äußeren. Er erinnert mich an weibliche Männer wie Jean Michel Jarre.
Diese Art von Männern, leben ihre Weiblichkeit über die Kunst aus, oft unbewusst.
Wer hier in meinem Artikel bereits aussteigt, weil ich Äusseres mit Verhalten verknüpfe,
möchte ich mitgeben, dass Äußeres aus Emotionen mitgestaltet wird,
und dass Emotionen durch chemische Vorgänge (z.B. Hormone) mitgesteuert werden.
Es ist alles interaktiv und bedingt einander. Hochkomplex.
Wenn ich einen hohen Testo-Spiegel habe, sehr sehr männliche Effekte erlebe in meiner
Emotion, muss ich mir nicht das Gesicht im Solarium bräunen um mich wohlzufühlen.
Ich komme wieder auf den Film:
Ozon tut dass, was jeder Künstler gerne macht, wenn er nicht zu etwas anderes gezwungen wird:
Er arbeitet seine Emotionen auf.
Ich unterstelle dass Ozon mit diesem Film dies auch tut.
Ich unterstelle weiterhin, ohne seine Biographie zu kennen,
dass seine weibliche Seite von Virginia in dem Film dargestellt wird,
omnipräsent, dominant, selbstverliebt und ganz und gar nicht unsicher,
hier alle auszublenden, die "unwichtig" sind für diese Metamorphose,
die für sich spricht, und eigentlich niemanden auf der sexuellen Ebene benötigt, gynophil ist,
nicht einmal Claire, oder gerade Claire nicht.
Sexuell nicht, als Fluchthelfer aus der männlichen Welt schon.
Denn Claire, ist die Metapher für die Frauenwelt, die David liebt,
den Anteil von Ozon, den Ozon zwar lebt, aber sexuell nicht agieren sehen möchte,
sondern er möchte mit Frauen durch seine weibliche Seite, Virginia wirken.
Desshalb sind Frauen, wie in seinem richtigen Leben,
die David begehren, nicht sehr reizvoll, nicht dass ihr Körper nicht reizvoll wäre,
aber Virginia möchte begehrt werden, und da sie unsichtbar ist, im realen Leben
von Ozon, wird die Frauenwelt für Ozon nicht die Leidenschaft entfachen können,
die er mit den Frauen als Virginia erleben kann.
Claire bekommt dies zu spüren, indem sie, wie Karin beschreibt,
immer mehr in den Hintergrund gedrückt wird in diesem Plot.
Claire dient nur als Brückenbauerin, um Virginia zuzulassen,
sie kennt aber David viel zu sehr, als dass Virginia sich der Hoffnung hingeben könnte,
dass sie tatsächlich "nur" Virginia liebt und begehrt.
Aber genau dass ist wesentlich für Virginia: Eine Frau die ein Frau liebt.
Die Gefahr, dass eine Heterofrau Virginia nur liebt, David zuliebe, muss ausgeschlossen werden.
Der Film bietet hierfür aber keine Lösung,
er endet genau an diesem Punkt.
Der Fehler des Films ist, dass der Plot keine Konstellation zeigt,
zwischen der weiblichen Seite von Ozon (oder David),
der dominanten sexuellen Seite,
und einer Frau, die nur diese Seite kennt und liebt,
hier müsste, wenn ich Regisseurin wäre,
eine lesbische Frau in die Handlung eingebettet werden,
die die Liebe zu Virginia garantiert.
Zumindest am Anfang, bevor sie Virginia nackt sieht.
Eine lesbische Frau hat aber ihre Entscheidung vorher getroffen,
nichtwissend, was Virginia zwischen den Beinen hat.
Wenn sie nun an Virginia festhält, haben wir eine völlig andere Konstellation,
als wenn Claire an David festhält (trotz Virginia).
Ich bin sicher, dass Ozon hier eine Identitätszwickmühle aufarbeitet,
die in der Art gestrickt ist, wie ich sie beschreibe.

Der Schluss des Plots scheint eine wichtige Metapher darzustellen,
desshalb werfe ich einen Blick auf Wiki
http://de.wikipedia.org/wiki/Eine_neue_Freundin
(ich habe den Film ja nicht gesehen)
Anm: Mir fällt auf, dass Wiki hier schreibt:
...sieht man Virginia mit seiner inzwischen schulpflichtigen Tochter ....
das männliche Pronomen für Virginia zu verwenden ist genitalistisch.
Mich wundert dies überhaupt nicht, da ich aus feministischen Kreisen ständig bestätigt bekomme,
dass Wikipedia patriarchisch dominiert wird.
Zurück zur Metapher:
Virginia/David ist in seiner männlichen Geschlechterrolle gefangen (Ozon denke ich auch),
die Gefangenschaft kann nur durch den Rollenwechsel beendet werden,
dieser wird durch das Anlegen der weiblichen Kleidung dargestellt,
die das Erwachen aus dem Koma ermöglicht. Die Flucht aus der männlichen sozialen Gender-Role ermöglicht.
Fluchthelfer hier, ist wieder Cliare, wie auch schon am Anfang des Films.
Claire ist aber nicht, wie schon erwähnt, die Frau, die Virginia in Ekstase bringen könnte,
dafür ist sie zu sehr mit David bekannt.
Der Schluss des Films, der Virginia als Frau darstellt, die in der Lage ist ein Kind mit Claire zu zeugen,
da diese ja von ihr schwanger geworden ist, ist eine Metapher für die Unmöglichkeit Ozons,
seine Welt aufzugeben, mit dem männlichen zu brechen.
Nicht mit dem sozialen, sondern mit dem körperlichen.
Er belässt seine Protagonistin mit Penis und lässt diesen auch aktiv werden.
Er schafft damit eine Frau, die ihren Penis bejaht, also ein Zwitterwesen.
Damit entgenitalisiert er die Weiblichkeit, löst die Formel Vagina=Frau, Penis=Mann auf.
Virgina darf eine Frau sein die Kinder zeugen kann. Claire eine Frau sein, die diese austrägt.
In TS-Kreisen wird diese Konstellation "lesbische Zeugung" genannt,
und ist eines der umstrittensten Themen.
Für mich ist dass harmonisch, da ich ebenfalls Genitalien von Geschlechtern abkopple.
Für mich ist Virgina lesbisch, weil sie mit ihrer Frauenidentität Claire liebt.
(Inwieweit Claire bi ist, muss offen bleiben)
Karins Interpretation, dass am Schluss eine heterosexuelle Kombination ensteht,
muss ich also berichtigen, da bei Identitäten sich die sexuelle Präferenz immer auch auf diese bezieht,
nicht auf das Genital. Virginia (mit Penis) liebt eine Frau = lesbisch.

Vom Film bleibt für mich die Erkenntnis, dass der Schluss des Films den Wunsch von Ozon ausdrückt:
Eine Frau mit Schwanz zu sein, die eine Frau als Partnerin hat.
Ein Wunsch übrigens, der meisten TS, die mit männlichen Genital geboren werden,
dass diesen Wesen meist unterstellt wird, auf Männer zu stehen, ist eine Falschdarstellung der Medien.
Der grösste Teil dieser Wesen ist bi und lesbisch, nicht hetero.
> Hetero wären sie, wenn sie nur zu Männer sich hingezogen fühlten.
Dass die Medien für diesen Fall dann schwul unterstellen,
ignoriert 1. deren Identität und ist genitalistisch,
und 2. wird versucht, die gewünschte negative Konnotation von schwul gleich für TS "mitzuverwenden".

Ozon zeichnet also dass Unvermögen eines Wesens dieser Konstellation vom Typ Virginia,
sich selbst aus der sozialen Rolle zu befreien, es braucht eine Frau, die sie an die Hand nimmt.
Diese Erkenntnis habe ich für mich in den letzten Jahren auch gewonnen.
Dies fängt mit lapidaren Dingen an, dass Du als Mann in der sozialen Rolle am Tisch wartest in der Kneipe,
bis sich eine Frau zu Dir setzt und Dich anspricht (anmacht), da Du ja "die Frau bist."
Die Frau sieht Dich aber als Mann. und wartet dass Du sie begehrst und ansprichst.
Das klingt trivial, setzt sich aber in der Scalierung komplett in allen Bereichen fort, auch beim Sex.

Ich denke, ich konnte einige Überraschungen für einige Leser_innen skizzieren.
Karin wird vielleicht auch ein Stück weitergekommen sein, in der fantastischen Welt
der Frauen und Männern, die keine festgelegten Genitalien haben.

LG
Jasmin



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