vom Glücklichsein

Antworten
Benutzeravatar
JasminRheinhessen
Beiträge: 619
Registriert: 11 Sep 2014, 19:18
Wohnort: Würzburg

vom Glücklichsein

Beitrag von JasminRheinhessen » 20 Okt 2018, 05:57

Meine Verbündete,
war gestern Abend noch einkaufen und hab dann noch zwei Sachen abgeholt,
heute kam ich wieder nicht aus mir heraus, obwohl ich wusste, dass es bald regnen wird, Herbst und Kälte einsetzt,
und ich eigentlich vorhatte, den Restsommer zu nutzen.
Habe dann noch Dinge besorgt, die ich brauche, damit ich Arbeiten verschieben kann.
Es gab ein schönes Gespräch mit der Verkäuferin in einem Laden, ich lobte den Weihnachtsschmuck, den sie jetzt schon gemacht haben in diesem Laden, an der Theke, mit vielen Lämpchen.
Wir waren alleine an der Kasse, sie sagte dann, sie ist noch nicht in Weihnachtsstimmung und wird es auch nicht
sein, das war so ein Satz, da wusstest Du gleich, was los ist.
Nach dem Essen gestern dann werde ich müde wie immer, hab mich dann hingelegt,
ich wusste, dass ich dann mitten in der Nacht wieder aufwache, so wie jetzt wieder, aber egal, es gibt schlimmeres, schlafe dann meist dann morgens wieder ein paar Stunden.
Ist aber nicht gut, hab dann irgendwie keine richtigen Tiefschlafphasen,
an der Kasse beim Billigmarkt war eine Rentnerin vor mir, hat nur 5 Sachen gekauft, dabei war eine Packung Lebkuchen,
ob sie diese alleine isst, denke ja, sie hat Bar bezahlt, die Münzen gezählt,
sie war schlank, aber nicht dürr, hatte eigentlich eine gute Figur, sie sah aber unglücklich aus,
ich war wahrscheinlich für sie Lichtjahre entfernt, sie anzusprechen wäre interessant gewesen,
vielleicht hätte sie sich gefreut, vorher hatte ich einen Kasten mit Wasserflaschen abgegeben, ich bringe die leeren
Kästen immer zurück, was sollte ich sonst damit tun, ein Kasten war unvollständig, der Automat hat dann anstatt 5 Flaschen, die im Kasten waren, nur 4 gerechnet - also 15 Cent weniger, ich dachte so bei mir, nein -wir werden nicht nur um 15 Cent betrogen, sondern um unsere Rente, um unser Land, überall sehe ich arme Leute, ich sehe es an den Schuhen, Hosen, Jacken, die sie tragen, das war früher nicht so, noch vor 10-20 Jahren nicht, und das liegt nicht daran, dass ich im Discounter unterwegs bin. Du siehst gleich, wenn die Leute Schuhe anhaben, die sie für 10 Euro im Angebot mitgenommen haben; da sind meine Schuhe wertvoll, die sind zwar jetzt schon schmutzig und abgetragen, aber es sind teure Schuhe,
die sicher mal 70-100 Euro gekostet haben, ich hatte sie in einem Gebrauchtwarenladen mitgenommen, für 15 Euro. Ich bin in einer Schieflage, gefühlsmäßig, ich kenne auch die Ursachen. Ich bin in einer Zwickmühle. Wenn ich Spaß am Leben haben wollte, müsste ich jetzt ins Schwimmbad, in die Sauna gehen, vielleicht eine Woche, jeden Tag, Körperpflege, ausruhen, gar nichts machen, nicht mehr nach Dingen suchen, die ich verkaufen kann, vielleicht sogar nach Frauen suchen,
ein Leben ohne Sex ist Mist, Du hast auch keinen, daher muss ich Dir das nicht erklären, wenn ich das aber mache, falle ich aus dem Prozess heraus, dass ich meine Wohnung, mein Haus vorwärtsbringe, das Haus ist eine Baustelle, soll aber zu einem Lebensraum werden, beides schaffe ich nicht, sobald ich eine Liaison mit einer Frau anfangen würde, wäre ich so abgelenkt, dass alles liegenbleibt, auch meine Bemühungen, Geld zu verdienen, die mich ja auch vorwärtsbringen bei der eigenen Gestaltung meines Hauses, alles würde brachliegen, ja, mein Verdienst, denn ich hole ja auch Dinge zum weiterverkaufen, wenn ich also existentielles voranbringe, Haus, Wohnung, Lebensraum und mein Verdienst sichere, dann bleibt meine Seele auf der Strecke, deshalb meine Gefühlskrise, in der stecke ich schon länger, als ich in dieses alte, verwahrloste Haus umzog, dass dann mein Haus wurde, und auch vorher, hatte ich keine Wahl, da stellte sich diese Frage gar nicht,
dass ich mein Leben auch spaßiger gestalten könnte, auch nicht vorher, während dem Kampf mit Behörden,
existentielles war so wichtig, dass es keine andere Option gab, jetzt bin ich aber eigentlich frei,
ich hätte die Option für mehr Spaß, weiß aber, dass ich es nicht schaffe mit dem Haus, wenn ich mein Leben
auf mehr Freude und Spaß ausrichte, dann bleibt das Haus liegen, was sehr nachhaltige Folgen hat,
über Jahre, denn es muss und soll mein Leben später garantieren.
Diese Diskrepanz zermürbt mich, deshalb die Suche nach Lösungen, wie ich Spaß im Leben und Haus verquicke - deshalb auch die Vision mit der Frauengemeinschaft, der Wohngemeinschaft im Haus, wenngleich ich mir bewusst bin,
dass das mehr als schwer ist, vielleicht sogar unmöglich, ich bin keine Träumerin, oder doch, es sind vielleicht nur
Bewältigungsstrategien, diese Dinge "anzuträumen", um nicht zu resignieren, wie eine Droge.
Gerade höre ich wieder den Uhu oder eine Eule, klingt wie in einem Film, seit einigen Tagen
ist sie immer Nachts, auch manchmal schon am frühen Abend zu hören, denke es ist ein Uhu.
Der Verdienst muss bei mir schon weiterlaufen, es ist extrem wichtig, vor allem um meine Mobilität zu sichern,
ich werde immer einen Transporter brauchen, wenn ich so agieren möchte wie zur Zeit,
und so ein Fahrzeug zu ersetzen, ist nicht einfach, daher muss ich da schon aufpassen, dass ich Verdienstmöglichkeiten
erschließe und nicht das Gegenteil mache, sie einstampfe, vernachlässige.
Oder ich mache einen kompletten Wandel, mache etwas völlig anderes, was auch mehr Spaß bringt,
ich rede von Spaß, ist das nicht lächerlich? Vielleicht nicht, wenn das Leben sich ohne Spaß depressiv anfühlt.
Depression. Die Volkskrankheit. Kann tödlich sein. Erst wirst Du traurig, dann antriebslos. Dann hast Du kein Appetit mehr. Dann Angstzustände. Physische Symptome. Bluthochdruck. Dein Körpersystem fängt an, mit Dir Karussell zu fahren. Irgendwann wirst Du nur noch Zuschauer eines Absturzes. Wenn Du lange weinst, bekommst Du durch das Schluchzen zuviel Sauerstoff. Hyperventilation. Irgendwann wirst Du ohnmächtig. Wie ein Teenager, der zuviel atmet, weil er sich auf sein Idol freut, vor der Bühne. Dann vom Sanitäter versorgt werden muss. Sauerstoff ist wichtig. Zuviel davon schädlich. Wenn wir also traurig sind, sollten wir auf regelmässige Atmung achten. Wir merken es aber nicht, es ist ja kein schluchzen, wir sind unentspannt, die Atmung fließt nicht mehr. Das reicht aber schon. Auf lange Sicht, kippt unser System. Unser Körper lässt sich nicht austricksen. Wenn unsere Seele weint, kippt das System irgendwann. Die meisten Menschen sind im Hamsterrad.
Denen geht es so wie mir seit ca. 20 Jahren, die haben keine Zeit darüber nachzudenken, dass sie keinen Spaß haben,
es ist aber nicht trivial, keinen Spaß zu haben, leider ist es das nicht, Spaß ist vielleicht das falsche Wort,
Lebensfreude - glücklichsein, sich in Harmonie fühlen, das Elementare für den Körper, vielleicht sollten wir lieber sagen,
anstatt Spaß haben, keine Depression haben. Der Körper und die Seele kennen keine Politik, kein links und rechts, kein Patriarchat und keinen Euro, keine Kassen, an denen Du Deine Lebensmittel bezahlen musst und auch keine Überlegungen, wie Du etwas verdienen kannst, die Seele kennt nur Gefühle, und sie fühlt. Sie fühlt meist, dass sie nur kämpfen muss.
Unser Leben ist doch nicht normal, welches Tier würde sich so verhalten, wie wir ? Die würden doch zugrundegehen, wenn sie jeden Tag auf die Arbeit rennen müssten wie die Menschen. Scheidungen, Trennungen, Alleinsein aushalten müssten. Du schützt deine Katze und Deinen Hund vor dem Alleinsein, wer schützt die Rentnerin vor dem Alleinsein, die ich gestern gesehen habe? Wer den Arbeiter der am Fließband steht oder in der Fabrikhalle, vor der Resignation? Wir haben auch noch den Verstand unsere Probleme zu begreifen, wenn wir dumm wären, wäre alles einfacher.
Viele bekämfen ihren Verstand, fangen das Saufen an, vor allem Männer, die Frauen greifen eher zu Tabletten. Spielsucht, Konsumsucht, Fresssucht, oder andere stürzen sich auf ein Hobby, für das sie leben. Völlig irre widmen sie sich nur noch einem bestimmten Feld. Andere fangen an zu Schreiben. Autoren sind alle Selbsttherapeuten. Ich war dieses Jahr dreimal an einem FKK See, das war das Paradies, alle waren nackt, kein Status. Diese Zeilen schreibe ich im Stil eines Bewusstseinsstromes, auch das letzte Kapitel des 1. Bandes von Salammbo, dass sich über die letzten 150 Seiten des 700 Seiten starken Bandes zieht, ist in diesem Stil geschrieben. Ulysses, eines der erfolgreichsten Romane der Weltliteratur, ist konsequent in diesem Stil geschrieben. Vielleicht wurde Ulysses so erfolgreich, weil durch diesen Romanstil Formen aufgehoben werden, der Text fühlt sich so an, wie wir denken, wir denken kreuz und quer und nicht in Gliederungen und Absätzen, in Überschriften und sortierten Einheiten. Diese Art zu Schreiben bringt die Person im Roman für Leser_innen auch viel näher, es fühlt sich an, als ob sie es selbst denken, was sie lesen. Damit können sie sich besser in die Gefühlswelt derjenigen Person hineinversetzen, über die erzählt wird, die Seele der Leser_innen wird berührt, das ist der Punkt, es geht immer um Gefühl, immer. Wenn Menschen spüren, dass das Gefühl berührt wird, spüren sie nicht mehr die Kälte, in der unsere Welt schwingt. Liebe. Liebe. Liebe. Dieses Wort wird zu einer Worthülse, zu einer Sprechblase, es verkommt in
unserer Welt zu einem Nichts. Es ist ein Abbild von etwas, was wir kennen, spürten, aber nicht mehr zu Gesicht
bekommen. Wie ein Dinosaurier, den wir einst in einem Buch über die Erde abgebildet sahen.
Manchmal möchte ich einfach nichts mehr tun. Nichts. Nichts. Nichts. Es gibt eine schöne Metapher.
Vier Menschen. Einer sitzt auf einem Stuhl in der Mitte. Er tut nichts. Die anderen drei kreisen um ihn herum,
lachen, sind fröhlich, der eine bricht sich ein Bein, der andere verliert seine Liebste, ist unglücklich,
verliert, das, was er durch seine Mühen gefunden hat wieder, der Dritte findet das, was er immer suchte,
und ist enttäuscht, dass es nicht so ist, wie er es sich vorgestellt hatte. Alle drei sind nach kurzer Zeit unglücklich,
schauen auf den, der nichts tat, der immer noch auf seinem Stuhl sitzt, er hat kein gebrochenes Bein,
hat seine Partnerin oder Partner nicht verloren und freut sich immer noch auf das, was er sucht.
Warum sollten die anderen drei ihm vorwerfen, er wäre ohne Tatendrang? Er hat sich nicht vorwärtsbewegt,
trotzdem ist er weiter als alle anderen. Er ist zwar nicht frohlockend glücklich, aber ruht in sich.
Ich möchte beides. Frohlockend glücklich sein, aber in mir ruhen. Vielleicht möchte ich zu viel.
Allein zu bleiben verschont Dich davor, daran zu zerbrechen, wenn Du den Menschen wieder für immer verlierst,
den Du so liebst, so brauchst, so unersetzlich findest. Du kannst Dich also entscheiden,
am Alleinsein zugrunde zu gehen, oder daran, die Liebste zu verlieren. Verlieren wirst Du sie,
denn jeder Beginn hat ein Ende. Viele wünschen sich, vor ihrer Liebsten zu sterben, ist nicht allein schon dieser
Wunsch kein Alarmsignal, dass die Abhängigkeit und Unfreiheit, in der sich dieser Mensch, der sich das wünscht,
befindet, ihn zwangsläufig Zukunftsangst haben lässt? Möchtest Du so abhängig sein? Fange an, Dich selbst zu lieben. Es könnte Dich retten. Peter A. wollte nicht mehr leben, als seine Frau starb, lebte nur noch zurückgezogen und starb dann auch. Wir können den Namen Peter A. durch viele andere Namen ersetzen. An zerbrochenem Herzen zu sterben ist paradox. Ist es nicht die Liebe, die uns glücklich machen soll? Liebe geißelt, schrieb Lisa Fitz einst. Wir müssen lernen, frei zu bleiben. Nimm eine Torte und schlag sie Deiner Liebsten ins Gesicht, damit Du Dich davor schützt. Nein, tu es nicht. Tu es nicht. Sarah. W. leidet noch heute daran. Verletze niemanden. Sei lieb. Sei lieb und sterbe selbst. Wer am meisten liebt, verliert. Wer nicht liebt, verliert auch. Vielleicht sollte ich mein Haus nicht selbst weiter gestalten. Vielleicht sollte ich mir Frauen suchen, die das tun. Das Suchen der Frauen ersetzt dann meine Arbeit im Haus. Beides kann ich nicht. Sind die Frauen dann da, werde ich mich um sie kümmern, während sie sich um das Haus kümmern. Dann wäre ich glücklich, hätte das Haus und die Frauen, die ich so dringend meine zu brauchen. Wie hüte ich mich nun davor, anzufangen sie zu lieben? Ich muss genügend Torte immer auf Vorrat haben. Kühlschränke. Ich brauche mehr Kühlschränke.

Salammbo, Band 1



Antworten

Zurück zu „Reflektionen“