wer das Gehirn biol. nicht berücksichtigt bleibt im Genitalismus

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Carol Rose
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wer das Gehirn biol. nicht berücksichtigt bleibt im Genitalismus

Beitrag von Carol Rose » 27 Okt 2019, 12:36

In Facebook verschwinden Gedanken nach wenigen Wochen in den Untiefen der Chronik-Darstellung, dass ist ein Grund, warum ich bis heute FB nur mit Lese-Accounts nutze. Energie, die dort hineingesteckt wird, ist nicht nachhaltig nach Jahren noch nutzbar.

Trotzdem schreibe ich ab und an, so auch gestern wieder. Es entstand ein kleiner Schlagabtausch an Meinungen, meine Antworten stehen für sich und ich möchte sie hier "sichern". Es ist nicht notwendig, die Gegendarstellungen hier abzubilden, das möchte ich auch bei denjenigen gar nicht anfragen, da ich hier keine Diskussion in diesem Thread spiegeln möchte, sondern die Argumente, die ich vortrug, sichern möchte. Sie sind nicht neu. Trotzdem aber deshalb sichernswert, da sie kompakt formuliert sind und eines bestätigen: Sie sind aktueller denn je. Sinngemäßes hatte ich schon 2013 geschrieben.

Auslöser der kurzen Debatte war ein Fernsehbeitrag. Wie immer mit einem Wording, dass einem die Haare raufen lässt. Aber das Schlimmste hat ebenfalls natürlich nicht gefehlt: Nichts von einer Annäherung, das TS angeboren ist. Es wurde nicht einmal laut darüber nachgedacht.

Die Antworten, die ich hier gab, schreiben auch gegen zwei Diskutanntinnen an (sog. TS), die es für sich ok finden, wenn sie undercover leben, nicht mit dem "Schild TS auf der Stirn". Das diese Position politisch für den Diskurs nichts bringt, sogar kontraproduktiv ist, weil es "Passing" im Sinne derjenigen erfordert, die genau mit diesen Maßstäben anderen das Geschlecht absprechen und somit diese Denkweisen dadurch bestätigt, da es diese Denkweisen nicht anprangert. Kann ja nicht angeprangert werden, wenn ich mich nicht als sog. TS oute. Ich muss also erst gar nicht eine genitalgeschlechtlichen Fremdbestimmung zustimmen, ich tue es bereits durch meine "stille Hand" oder "stillen Mund."

Anbei die Antworten, die ich gesichert haben möchte, bevor sie in FB verschwinden:

"Wie fühlen sich Kinder, deren gelebte Geschlechtsidentität nicht die ist, die ihnen bei Geburt zugewiesen wurde?"
(ein Zitat aus dem Film, den ich hier genausowenig benenne, wie meine Diskutantinnen, da ich den Fokus auf die Argumentationen in meinen Beiträgen legen möchte, diese ganz isoliert hier betrachten möchte)

Kritik von mir zu diesem Satz im Film: Es wurde keine Identität zugewiesen, sondern ein Rollengeschlecht aufgrund (sichtbarer) Genitalien.

Meine weiteren Antworten in der Diskussion setzte ich hier nun unkommentiert ein, welche Standpunkte und Einlassungen diese Antworten auslösten, kann sich jeder dazu denken - oder auch nicht - ist auch gar nicht nötig:

Ganz am Anfang - in diesem monologartigen Vortrag - halte ich diesen Satz für kritisch: "... und da stellt sich für mich nicht mehr die Frage, ob richtig oder falsch, sondern ob glücklich oder unglücklich..."
Hier wird bereits in der Einleitung der Anspruch fallengelassen, dass die Adjektive falsch und richtig mit Definitionen gefüllt werden müssen - z.B. das es falsch ist, ein Geschlecht nach dem Genital zu bestimmen. Die ganze Berichtsthematik fokussiert auf Empfinden und Reaktion der Umstände, der ein Mensch durch das Patriarchat und dessen "Geschlechts"(SIC!)-Zuweisung ausgesetzt wird. Eine Nennung von Täter und Opfer findet (wie immer) nicht statt. Dazu gesellt sich eine völlig falsche Darstellung der Sachlage mit völlig verdrehten Diskursbegriffen. Der Diskurs dreht sich dadurch im Kreis. Und dann auch noch die gefährliche Distanz zu jeglicher biologischer Prämisse, die die eigentliche Ursache ist (das durch Hormone neurologisch geprägte Gehirn). Diese Distanz wird auch gleich am Anfang vollzogen: "Kein Arzt kann... usw usw..."
Trans(SIC!)wird damit zu einer Beliebigkeit und zu etwas, was einem Individuum zugestanden werden soll, aus ehtischen und moralischen Gründen. Es kann aber nichts zugestanden werden, was "ist". Ich kann nicht jemanden geben, was er schon hat. Ich kann nur jemanden geben oder zugestehen, was er m.M.n. "eigentlich" nicht hat. Das alte Lied vom "eingebildeten" Geschlecht.

Ja, Du kannst das natürlich auch unter diesen Gesichtspunkten als gut bewerten, ich vermisse aber das Wesentliche, das ganz konkret in irgendeiner Form gesagt wird, dass sie bereits als Mädchen geboren ist - heißt: das "TS" angeboren ist.
Solange diese Aussagen fehlen - und das tun sie regelmäßig - bleiben die Zuhörer in der Position der "Goodwill-Persons", die dem Mädchen etwas zugestehen und sich dann gut fühlen dürfen.

Du willst wirklich auf den biologischen Ansatz verzichten, weil Du annimmst, es würde nicht helfen? Du führst ja selbst (richtigerweise) aus, dass ohne Passing keine Anerkennung mehr stattfindet. Genau hier ist der springende Punkt:
Die "Nichtpassenden" einfach der Beurteilungswillkür anderer aussetzen? > Oder ihnen eine Lobby an die Hand geben, die sagt, ich bin eine Frau, ich bin als Frau geboren. Dann liegt das Problem bei den Leuten, die diese Frau als Mann werten. nicht mehr bei der Frau, die darauf angewiesen ist - zu "passen".
Du schreibst, dass das nicht die Aufgabe des Films ist - das mag sein. Die Faktenlage "Angeborenensein" wird im übrigen von keiner Lobby im Moment im Diskurs untermauert. Völlige Fehlanzeige - auch nicht bei den entsprechenden ORGAS.
Wir haben im Moment im Bereich TS die Situation, wie als wenn ich einem Menschen mit einem Bein zugestehe, dass er behindert ist - wenn er aber nicht humpelt und mit einem Bein herumspringt, dann ist er es nicht. Eine TS die passt, der gestehe ich "TS-Sein" zu, eine die nicht passt - ist alles andere als das, aber nicht TS. Der Passing-Druck treibt im übrigen viele in den Suizid.

ja - das ist alles richtig - aber ich möchte zu einem Punkt im Diskurs hinkommen:
Wenn jemand einer Person das Frausein (viceversa das Mannsein) abspricht, soll das dann bitteschön zumindest gegen biologische Erkenntnisse sein. Dann stellt sich dieser Mensch eben hin und meint, die Erde ist eine Scheibe - soll er sich zumindest argumentativ blamieren. Von mir aus kann er sagen was er will - aber ich möchte nicht auf seine Wahrnehmung angewiesen sein. Genau dieser Mensch sagt zu einer Frau mit nur einem X-Chromosom auch, sie wäre eine Frau - sie ist aber intersexuell.

Im politischen Diskurs bringt mir dieser strategische Schritt die gesetzliche Gleichstellung zu Intersexuellen - z.B. die standesamtliche Personenstandsänderung.

Im gesellschaftlichen Diskurs bringt mir der Konsens, dass TS angeboren ist mindestens die Anerkennung, die Schwule und Lesben heute genießen (schwul/lesbisch gilt nämlich mittlerweile als angeboren, ganz ohne Untermauerung von Studien, warum also TS nicht auch, wenngleich es hier sogar viele Studien gibt, die Indizien liefern)

Ja, gegen Transphobie nützt mir dieser Punkt rein gar nichts. Gegen Transphobie hilft aber auch keine OP und kein 100% Passing. Sobald es für transphobe Individuen bekannt wird. und mit "es" meine ich den Zustand der Geburt, ist Feierabend. Ich hänge ein Video von Dana International an - sie wurde wenige Tage nach ihrem GrandPrix Sieg von der Bild zerrissen, weil sie "ein Mann" wäre. Das würde heute noch genauso ablaufen. Sie hatte sich vor ihrem Auftritt nicht geoutet. Passing war 100%



Dein Gefühl, dass die Bevölkerung TS mittlerweile mehr anerkennt, kann ich nicht teilen. Ich sehe hier keinen Fortschritt. Die Mediensprache hat sich nicht verbessert und somit ist eine Anerkennung - wie diese auch immer aussehen mag, eher ideologisch verbrämt, als dass sie aus einem Diskurs erwachsen wäre. TS werden überall zurückgedrängt, sei es, dass sie bei ORGAS wie LSVD gar nicht mehr vorkommen, sei es dass sie wegdefiniert werden und im Begriff Transgender verschwinden.

Die Bild will Quoten - genau - und deshalb schreibt sie genau das, was Quoten bringt: Nämlich TS zu vertransen, als Lifestyle darzustellen, das "gefällt" und wird "bejaht" (von der Masse) - was nicht mehr geht ist, Schwule schlechtzuschreiben, das brächte negative Quote. Seit Wowereit und Westerwelle ist das nicht mehr quotenbringend und da lässt die Bild tunlichst ihre Finger weg. Die Bild ist ein Lackmustest, was die Gesellschaft goutiert, genau das schreibt sie.

Ein schwuler Gesundheitsminister (Spahn) kann es sich locker erlauben, beim Kampf gegen Konversionstherapien die TS einfach hintenrunterfallen zu lassen.

Zu deiner Einlassung mit "das was war soll keine Rolle spielen"
Nein - ganz gefährlich: Denn dann gehst Du in Richtung der Annahme, dass ein Geschlecht gewechselt werden könnte. Sehr dünnes Eis. Das Angeborensein verhindert diese argumentative Sackgasse."Das was war", und hier ist im Diskurs das Genital gemeint, soll überhaupt keine Deutung auf das Geschlecht erlauben dürfen.


"auftreten" klingt für mich aber irgendwie eher nach etwas, was jemand erwirbt - was jemanden überfällt - nicht was jemand ist - seit Geburt
(Anm.: wenn "auftreten" als Formulierung genommen wird, um "TS-Symptome"(SIC!) zu erwähnen und zeitlich zu verorten)

- ich verstehe Dich - Du hast aber am Schluss einen Logigfehler: Wenn Du undercover als TS läufst, bist du kein Positivbeispiel mehr, sondern gar nicht mehr im Diskurs vorhanden. Nur für diejenigen, die es wissen, aber nicht für die Gesellschaft als solche. Diese könntest Du "überraschen", indem Du dich outest und diese dann für sich sagen: OH - hätte ich aber jetzt gar nicht gedacht. Das wäre dann ein positiver Effekt. Deshalb ist es gerade dann schade, wenn sich TS mit gutem Passing nicht outen.

Es ist jedem frei wie er sich in der Gesellschaft positioniert. Bitte fühle Dich nicht von mir kritisiert, wenn Du das machst, was Du möchtest. Aber es hilft dem TS-Diskurs nicht, wenn TS sich in derjenigen Gesellschaft deshalb gut assimilieren, weil sie deren Werte und Wahrnehmungskriterien annehmen und entsprechen, genau die Wahrnehmungskritierien, die andere TS wiederum aufgrund ihres Aussehens nicht anerkennen.

Der Vergleich mit dem Bandscheibenvorfall funktioniert allein schon desshalb nicht, weil ein Mensch mit Bandscheibenvorfall keinen Kampf für seine Anerkennung führen muss.

Trans ist nicht einfach nur im medizinischen Kontext zu sehen sondern es ist im politischen Kontext zu sehen. Politisch deshalb, weil Geschlecht immer politisch ist. (siehe Feminismusbewegung, Frauenrechte, Patriarchat). Hier kann eine Veränderung, Verbesserung also nur durch politischen Aktivismus eintreten (was ja auch passiert, aktuell z.B. Tessa Ganserer im bayerischen Landtag). Als politische Bewegung musst Du dich hörbar und sichtbar machen (siehe CSD-Bewegung). Eine assimilierte TS, die - und ich wiederhole mich hier - genau den Wahrnehmungskriterien enstpricht, die andere nicht erfüllen können, stärkt die Gruppe, die diese Wahrnehmungskritierien für eine Geschlechtsdefinition ansetzen. Aber es steht jedem frei, sich politisch nicht zu engagieren, Politisch nicht engagieren heißt aber dann gleichzeitig, sich nicht für TS einzusetzen, damit diese bedingungslos anerkannt werden.



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