Sexismus im Patriarchat. Werkzeug: Sprache

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JasminRheinhessen
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Sexismus im Patriarchat. Werkzeug: Sprache

Beitrag von JasminRheinhessen » 04 Nov 2016, 07:29

Die konservativen Boulevard-Medien in Deutschland zeichnen ein Frauenbild,
dass man in der Kurzform als objekthaft und damit in sexistischem Kontext dienlich für
heteronormativ patriarchal denkende Männer beschreiben kann.

Dies ist so gewöhnlich und damit selbstverständlich für uns, wie die Wettervorhersage nach den Nachrichten,
desshalb fällt es Menschen, die diese Thematik nicht hinterfragen, nicht mehr auf.

Die sexistische Verhandlung des Themas Frau geschieht oft sehr direkt,
in diesem Artikel soll es um die subtilen Sprachelemente gehen,
die auch in denjenigen Artikeln zu finden sind, die zur Berichterstattung ernster Themen gehören.

Schauen wir uns konkret die Bild.de Schlagzeilen Freitagmorgen an, 6 Uhr, vom 4. November 2016.

Zuerst Beispiele für offenen und geduldeten Sexismus, da dieser in Themengebieten platziert wird,
der Sex in welcher Form auch immer sowieso zum Thema hat,
hier könnte man anders formulieren, muss man aber meiner Meinung nach nicht.

Beispiele für Überschriften dieser Art:
Ãœberschrift Zitat 1:
"Dieser Glückspilz ist der Freund von Bild-Girl Anna - So war unser 1. Sex."
Ãœberschrift Zitat 2:
"GNTM-Elena frisch verliebt ! Mit diesem Hollywood Sprößling turtelt sie jetzt."

Wie schon erwähnt, hier kann Sexismus ein Mittel sein, das Thema durch Sprachstilistik zu verstärken.
Was ist hier sexistisch ?
Sexistisch ist hier, dass das Bild-Girl (nur) beim Vornamen genannt wird: "Anna" muss genügen,
sowie die GNTM Teilnehmerin einfach "Elena" sein darf, die Personifzierung über den Vornamen reicht aus,
ähnlich wie beim vertrauten Freundeskreis, wenn wir vertraut mit intim ersetzen, kommen wir der Sache näher.
Eine Formulierung die Abstand vom Geschlecht nehmen wollte, Distanz zum Geschlecht,
könnte diese beiden Personen mit dem Nachnamen nennen.
Das ist aber nicht gewollt - bei diesem Themen wie bereits erwähnt kann man dies als
zum Thema gehörenden Schreibstil legitimieren.
Es geht nun mal um die Beschreibung von Frauen und Männern in einem intimen Kontext,
und dass die Personen Frauen sind, hat eine für das Thema immanente Bedeutung.

Interessant wird es nun, wenn wir auf ernste Themen switchen.
Am gleichen Tag, zur gleichen Zeit morgens um 6 Uhr titelt Bild.de ganz oben als erste Headline,
und das ist derjenige Platz, der in der Regel (nicht immer) für Themen ausserhalb des Boulevard genutzt wird,
mit folgender Headline:
Zitat Ãœberschrift 3:
"Polizeikommissarin Sonja (26) beschreibt die Sexmob-Nacht von Köln -
Strumpfhosen haben mehrere Vergewaltigungen verhindert"

Was fällt hier auf ?
Vielen wird hier nichts auffallen, da sie sich an dieser Art Überschriften gewöhnt haben,
siehe Beispielüberschriften 1 und 2.
Geoutet wird dieser Schreibstil aber dann, wenn wir uns vorstellen, Bild.de hätte
hier einen männlichen Polizeikommisar als Gegenstand ihres Artikels gehabt.
Hätte diese Überschrift dann so gelautet ?
"Polizeikommissar Dieter (26) beschreibt die Sexmob-Nacht von Köln -
Strumpfhosen haben mehrere Vergewaltigungen verhindert"

Jetzt fällt es jedem auf.

Nein - so hätte "man(n)" es nicht geschrieben, sondern:
"Polizeikommissar beschreibt die Sexmob-Nacht von Köln -
Strumpfhosen haben mehrere Vergewaltigungen verhindert"

oder mit Nachnamen:
"Polizeikommissar [Nachname] beschreibt die Sexmob-Nacht von Köln -
Strumpfhosen haben mehrere Vergewaltigungen verhindert"

Das Einfügen des Vornamens für einen männlichen Polizeikommissar an dieser Stelle wirkt wie ein Schwulenwitz,
ähnlich dem Effekt, dass es eben gerade dann legitim ist männliche Vornamen einzusetzen,
wenn man den Protagonisten ausserhalb der patriachalen Heteronormativität beschreiben möchte.
Einen Mann nur mit Vornamen zu nennen, nimmt ihm seine Autorität.
Oft wird diese Stilistik für Schwulenwitze verwendet, um die "Nichtmännlichkeit" zu überzeichnen.
Nichtmännlich im Sinne von "nicht der patriarchalen Norm" entsprechend.

Und ja - für das männliche Beispiel wurde auch die Altersangabe (26) weggelassen,
denn diese Angabe hat die Aufgabe subtil, genau wie der weibliche Vorname, den Sexismus-Effekt zu bewässern.
Die Altersangabe ist obsolet, denn Altersangaben gehören in der Regel zur Täterbeschreibung,
oder wenn über Stars, Künstler, prominente Einzelpersonen berichtet wird, zu deren Beschreibung.
Sicher, verboten ist es nicht, diese obsolete Angabe zu machen,
dem Sexismus ist das auch zuträglich, bringt das eigentliche Thema, die Kommissarin, mehr in den Fokus.
Denn neben der Headline "Polizeikommisarin Sonja (26)..."
ist ein grosses Foto der Kommissarin abgebildet, das ein Drittel des Schlagzeilenbanners einnimmt:
Ja - sie ist blond und jung. Und genau das ist die Message, die beim Leser ankommen soll, die verkauft
werden soll: Es geht nicht um die Strumpfhosen-Thematik sondern darum,
die Titelzeile sexistisch zu färben, wichtig ist, und das beweist die bildliche Aufmachung und Textgestaltung,
dass dieser Sachverhalt von einer jungen, blonden, gutaussehenden Frau berichtet wurde.
Genau das wurde herausgehoben, die eigentliche Message ist nur das Alibi dieser Fokussierung.

Und weil das noch nicht genug ist noch eine Stilistik:
Das generische Maskulinum erfordert es nicht, Polizeikommissarin zu schreiben,
sondern es ist grammatikalisch richtig, einfach Polizeikommissar zu schreiben, auch im Falle wenn diese Person weiblich ist.
Hier wird aber stolz und wichtig das "-in" angehängt, denn das ist für die sexistische Message ja wichtig.
Wenn es um Feminismus geht, wird sich dann an anderer Stelle in konservativen Medien über
Aktivistinnen lustig gemacht, die für eine "genderisierte" Sprache kämpfen, und aus Polizeikommissar dann
Polizeikommissar_innen machen, wenn beide Geschlechter gemeint sind.
Nein - dieses generische Maskulinum gibt man doch dann gerne auf,
wenn Sexismus der Vater des Gedanken ist, und Frauen objektiviert werden sollen.



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